EU-Präsident Juncker:In einer anderen Welt

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Im Panama-Ausschuss spricht Jean-Claude Juncker lieber über Verdienste statt über Verantwortung. Er weist Vorwürfe zurück, als Finanzminister und Regierungschef Luxemburgs Steuertricks befördert zu haben.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Jean-Claude Juncker hat Erfahrung mit solchen Auftritten. Zum zweiten Mal musste der Präsident der EU-Kommission am Dienstag vor einem Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments Rede und Antwort stehen. Im September 2015 war der Anlass die Luxleaks-Affäre, also Enthüllungen über zweifelhafte Steuerdeals seines Heimatlandes Luxemburg mit großen Konzernen. Diesmal ging es um die Panama Papers. Im Frühjahr 2016 hatte ein internationales Journalistennetzwerk detailliert dargestellt, wie die panamaische Finanzkanzlei Mossack Fonseca Spitzenpolitikern, Sportstars und anderen Prominenten dabei half, Steuern zu umgehen.

"Wir haben nicht das Ziel, jemanden anzuklagen", sagte der Ausschussvorsitzende

In beiden Fällen geht es nicht zuletzt um die Rolle, die Juncker spielte. Der Christdemokrat war schließlich 20 Jahre lang Finanzminister Luxemburgs, zwischen 1995 und 2013 führte er das Großherzogtum auch als Ministerpräsident. Er müsse endlich "die Verantwortung für seine Fehler in der Vergangenheit übernehmen", hatte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold vor der Anhörung gefordert. Der Sozialdemokrat Peter Simon sekundierte: Bei den EU-Bürgern sei der Eindruck entstanden, Luxemburg habe ein Geschäftsmodell in Form von staatlich organisiertem Steuerdumping entwickelt. Allein: Juncker lag es fern, ihnen den Gefallen zu tun. "Ich glaube nicht, dass es im politischen Bereich Verantwortlichkeiten zu suchen gibt", sagte er. Die politischen Autoritäten seien über die Machenschaften der Handelnden nicht auf dem Laufenden gewesen. Viel lieber wollte Juncker über seine Verdienste reden als Chef einer Behörde, die einiges unternommen habe, um das Steuer-Unwesen zu bekämpfen. Der Ausschussvorsitzende, Christdemokrat Werner Langen, ermunterte ihn bei dieser Strategie: "Wir haben nicht das Ziel, jemanden anzuklagen." Man solle mehr über die Zukunft nachdenken als über die Vergangenheit.

Also begann Juncker aufzuzählen, was die Kommission alles auf den Weg gebracht hat: zwölf, demnächst gar 13 Maßnahmen, von der Geldwäsche-Bekämpfung über den automatischen Informationsaustausch bei Steuerregelungen, Transparenzabkommen mit Ländern wie Liechtenstein und San Marino bis zur Regulierung von Finanz-Intermediären.

Nicht einmal harte Juncker-Kritiker stellen in Abrede, dass die gegenwärtige Kommission viel getan hat. Von einer "kolossalen, umfassenden Arbeit" sprach der belgische Liberale Louis Michel gar. Und doch blieb die Frage im Raum, die ein anderer Liberaler, Michael Theurer, wiederholt stellte: "Wer übernimmt die politische Verantwortung?". Giegold wirft Juncker vor, 2002 für sein Land eine Ausnahme von der Zinsbesteuerungsrichtlinie erwirkt zu haben, wodurch die Offshore-Geschäfte sprunghaft zugenommen hätten. "Wir lebten in einer anderen Welt damals", entgegnete Juncker. Es sei darum gegangen, im Wettbewerb mit Drittstaaten wie der Schweiz zu bestehen. Dann überraschte der Kommissionschef aber doch mit einer Zusage: Er will einen Gesetzesvorschlag vorlegen, wonach die EU-Staaten einander bei der Suche nach Steuerhinterziehern helfen müssen.

© SZ vom 31.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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