EU-Agenturen:Neue Heimat

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Nach dem Brexit müssen die Bankenaufsicht und die Arzneimittelagentur umziehen. Es gibt viele Bewerber um die beiden Behörden. Ein Kriterium ist die "geografische Verteilung". Auch Bonn und Frankfurt machen sich Hoffnungen.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Die Europäische Union verlegt nach dem Brexit ihre Bankenaufsicht von London nach Paris. Zugleich wird die EU-Arzneimittelbehörde aus der britischen Hauptstadt nach Amsterdam umziehen. Beide Städte wurden am Montagabend nach mehreren geheimen Abstimmungen in Losentscheidungen bestimmt. Deutschland scheiterte sowohl mit der Bewerbung von Frankfurt am Main für die Europäische Bankenaufsicht (EBA) als auch von Bonn für die EU-Arzneimittelagentur (EMA).

Sowohl die EMA mit ihren knapp 900 Mitarbeitern als auch die EBA mit knapp 200 Beamten sollen ihren bisherigen Sitz mit Austritts Großbritanniens aus der EU Ende März 2019 ohne jede Verzögerung verlassen. Bestimmt wurden die neuen Standorte daher in einem beschleunigten Verfahren. Im ersten Wahlgang bei der Abstimmung über den Sitz der EBA hatte Frankfurt mit 32 Stimmen noch den zweiten Platz hinter Paris (34 Stimmen) und vor Dublin (28 Stimmen) belegt, schied aber in der zweiten Runde aus. Eine weitere Runden brachte keine Entscheidung, weshalb schließlich das Los für Paris entschied. Frankreich hatte Paris als "vibrierendes finanzielles Ökosystem" gepriesen.

Die Bewerbung Bonns für die EMA scheiterte bereits im ersten Wahlgang. Amsterdam setzte sich in einem Losentscheid gegen Mailand durch. Deutschland habe mit Frankfurt und Bonn "sehr gute Vorschläge unterbreitet", hatte Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) vor der Abstimmung gesagt. Auch einige andere Staaten hätten aber "sehr geeignete Vorschläge" gemacht. Prioritär für die Bundesregierung sei, dass die Agenturen an ihrem neuen Standort "sofort und uneingeschränkt" ihre Arbeit aufnehmen könnten. Um die EBA, die etwa für den Banken-Stresstest zuständig ist, bewarben sich acht Städte, um die EMA zuletzt 16 Städte.

Jeder EU-Staat konnte höchstens eine der beiden Agenturen aufnehmen. Inoffiziell konzentrierten sich die deutschen Bemühungen daher darauf, die Bankenaufsicht nach Frankfurt zu holen. Argumentiert wurde mit der Stärkung der Stadt, die auch Sitz der Europäischen Zentralbank ist, als EU-Finanzplatz.

Die Slowakei ist einer der Bewerber. Sie beherbergt bislang noch keine Agentur

Bei der Bewerbung um die EMA hatten die Niederlande mit der guten Infrastruktur und Anbindung sowie der Internationalität Amsterdams argumentiert. "Die Niederlande sind ein toller Arbeitsplatz", hieß es in der Bewerbung. Allerdings löste die Entscheidung zum Teil Enttäuschung bei östlichen EU-Ländern aus. Eines der Kriterien für die Auswahl der neuen Standorte hatte die "geografische Verteilung" sein sollen zugunsten jener EU-Staaten, die bisher nicht und nicht in nennenswertem Umfang EU-Institutionen beherbergen. Das gilt vor allem für die östlichen relativ neuen Mitglieder der Union. Mindestens eine der beiden Agenturen solle in den östlichen Teil der EU gehen, hatte der tschechische Europa-Staatssekretär Aleš Chmelař vor Beginn der Abstimmung gefordert. So war die slowakische Hauptstadt Bratislava als einer der Favoriten in die Abstimmung gegangen. Offenbar hatte sich aber negativ ausgewirkt, dass eine große Mehrheit der EMA-Mitarbeiter in einer Umfrage für den Fall eines Umzugs nach Bratislava ihre Kündigung angedroht hatten.

In den ersten Wahlgängen konnten die EU-Staaten jeweils sechs Stimmen auf die Bewerberstädte verteilen, wobei dem bevorzugten Kandidaten maximal drei Stimmen gegeben werden konnten. Im ersten Wahlgang hätte nur gesiegt, wer von mindestens 14 EU-Staaten drei Stimmen erhalten hätte. Da dies nicht der Fall war, wurde in zwei weiteren Wahlgängen zwischen den drei Bestplatzierten entschieden. Für den Fall eines Patts war ein Losentscheid vorgesehen. Bonn bekam in der Abstimmung um die Arzneimittel-Agentur EMA so wie Lille nur drei Stimmen - offenbar also ausschließlich die Stimmen Deutschlands.

© SZ vom 21.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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