ETF-Markt:Ein boomender Markt

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Einfach den Index abbilden, so lautet die einfache Erfolgsformel börsengehandelter Fonds. Nun versuchen immer mehr auf den ETF-Zug aufzuspringen. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Die noch junge ETF-Branche ist seit Jahren erfolgreich, weil die Fonds günstig und anlegerfreundlich sind. Doch nun gibt es immer mehr exotische Instrumente.

Von Katharina Wetzel

Sie gelten als einfach, transparent und relativ kostengünstig und werden selbst von Verbraucherschützern gerne empfohlen: Exchange Traded Funds (ETF). In den vergangenen Jahren haben diese über die Börse handelbaren Fonds zunehmende Beliebtheit gewonnen und mit jährlich zweistelligen Wachstumsraten einen regelrechten Boom erlebt. Nun treten vermehrt neue Anbieter in den Markt, es gibt auch eine wachsende Zahl neuer exotischer Produkte. Für Privatanleger wird der Markt immer unübersichtlicher.

ETF werden auch bei Privatanlegern immer beliebter

Ursprünglich waren ETF vor allem ein Instrument für institutionelle Anleger wie Pensionskassen und Versicherungen. Wer sich als Privatanleger einen ETF ins Portfolio legen wollte, musste in der Regel seinen Berater regelrecht darauf hinweisen, da dieser dafür in der Regel keine Vermittlerprovision erhielt. "Die Vertriebsstrukturen begünstigen noch immer aktive Fonds. Umso bemerkenswerter sind die starken Zuflüsse der ETF-Branche", sagt Morningstar-Analyst Ali Masarwah. Anders als bei klassischen Fonds brauchen ETF keinen aktiven Fondsmanager, der Titel auswählt. ETF folgen einfach einem Index wie dem Dax und bilden diesen möglichst genau nach. Diese passive Strategie ist weniger aufwendig und kostengünstiger. Dass ETF mittlerweile auch bei Privatanlegern immer beliebter werden, hat jedoch nicht nur etwas mit dem günstigen Image der Branche zu tun, sondern auch mit der Schwäche von aktiven Fonds. "Die Branche der aktiven Manager hat derzeit einen schweren Stand", sagt Masarwah.

Regelmäßig finden Studien heraus, dass aktiv gemanagte Fonds keine Überrendite erzielen und auch nicht besser abschneiden als ein entsprechender Vergleichsindex. Kaum ein Fondsmanager kann den Markt schlagen. Und wenn, gelingt ihm dies kaum auf Dauer. Auch nach Abzug von versteckten Vertriebsprovisionen, die bei ETF nicht anfallen, können die Kosten für einen aktiven Aktienfonds laut Masarwah noch immer ein Mehrfaches eines vergleichbaren ETF ausmachen. Bei europäischen Standardwerten seien etwa im Schnitt die Kosten für einen aktiven Fonds mit 0,9 Prozent dann noch dreimal teurer als für einen ETF mit 0,3 Prozent. Die Branche ist daher zunehmend unter Druck. "Während in der Fondsbranche Personal eher abgebaut wird, eilt die ETF-Branche von Erfolg zu Erfolg", sagt Masarwah.

Vergleicht man die investierten Volumina, ist die aktive Fondsbranche der ETF-Branche zwar noch deutlich überlegen. Derzeit stecken von der gesamten Fondsbranche in Europa gerade 12 Prozent aller Vermögenswerte in Indexfonds (inklusive ETF). Bei Standardwerten wie dem MSCI World Index haben aktive Fonds jedoch längst substanziell zugunsten von passiven Produkten verloren. In den USA, wo es ETF schon seit 1993 gibt - in Europa sind sie erst seit 1999 auf dem Markt - ist der Passivtrend laut Masarwah besonders stark. Viele Experten gehen davon aus, dass sich dieser Trend auch in Europa in den nächsten Jahren fortsetzen wird.

Bereits 2011 rief das enorme Wachstum der Papiere bei Aufsehern Sorgen hervor, die vor systemischen Risiken der Produkte warnten. So kann der Basiswert eines ETF physisch oder mittels Derivaten nachgebildet werden. Bei voll replizierenden (also physischen) ETF betreiben viele Anbieter eine Wertpapierleihe. Sowohl die Wertpapierleihe als auch der Einsatz von Derivaten ist mit sogenannten Gegenparteirisiken verbunden. Das heißt, wenn eine Gegenpartei ausfällt, hat dies auch Einfluss auf die Wertentwicklung des ETF. Die Regulatoren haben in Folge den Druck erhöht. Nach der Derivateverordnung sind die Gegenparteiausfallrisiken auf zehn Prozent begrenzt. Angesichts der sonst in der Finanzbranche üblichen Praktiken hielten Experten die Warnungen für teils übertrieben. An der Beliebtheit der Produkte haben diese ohnehin kaum etwas verändert. Einige Anbieter haben ihr Sortiment inzwischen stärker oder ganz auf voll replizierende ETF ausgerichtet. Comstage hat nach eigener Aussage seit vergangenem Jahr auch Produkte im Programm, die keine Wertpapierleihe vornehmen. Dies bezahle der Kunde mit höheren Kosten, die etwa doppelt so hoch wie bei einem mittels Derivaten nachgebildeten ETF sind.

"Ein Treiber des ETF-Wachstums sind ihre niedrigen Kosten", sagt Thomas Meyer zu Drewer, Leiter von Comstage ETF. Dabei sind längst nicht alle ETF günstig. Es gibt zwar einen hohen Konkurrenzdruck in der Branche: "In Europa gibt es 41 Anbieter von ETF", sagt Meyer zu Drewer. Doch den Großteil des Vermögens verwalten nur wenige Anbieter. "Das ETF-Geschäft lebt aufgrund der niedrigen Gebühren im Unterschied zu kleineren Fondsboutiquen in weiten Teilen von Skaleneffekten", sagt Peter Scharl, Leiter Vertrieb iShares in Deutschland, Österreich und Osteuropa bei Blackrock. Mit einem verwalteten ETF-Vermögen von 1054, 6 Milliarden Dollar ist Blackrock laut Thomson Reuters der größte ETF-Anbieter auf dem weltweit 2,75 Billionen Dollar schweren Markt.

Die Produkte lassen sich sehr gut über das Internet vermarkten

Mit dem Siegeszug der ETF sorgen immer mehr komplexe Strukturen für einen regelrechten Produktedschungel. Anbieter versuchen so dem Preiskampf bei klassischen Indizes zu entkommen und höhere Gebühren durchzusetzen. Fondsgesellschaften mit Tradition im aktiven Fondsmanagement wie Fidelity oder Franklin Templeton sind im Aufbau neuer ETF-Produkte. "Es gibt immer mehr aktive Fonds, die mit dem Label ETF auf sich aufmerksam machen wollen", sagt Meyer zu Drewer. Die neuen Angebote werben meist mit speziellen Strategien, verlangen höhere Gebühren und haben mit dem ursprünglichen ETF-Gedanken mitunter nur noch wenig gemeinsam. Laut Morningstar machen etwa Strategieprodukte wie Strategic Beta nur 7,2 Prozent des ETF-Volumens in Europa aus. Viele sehen die Entwicklung aber kritisch. Die Zahl an ETF mit komplizierten Strukturen sowie Strategie- und Nischenthemen nimmt zu.

Smart, also klug sollen viele neuen ETF-Produkte sein. Ein Marketingproblem haben ETF mittlerweile nicht mehr. Die Digitalisierung macht es möglich, dass die Produkte auf sämtlichen Kanälen verfügbar sind. "Aufgrund ihrer DNA passen ETF perfekt in Onlinelösungen", sagt Scharl. Der Kunde kann wählen, ob er die Produkte ohne oder mit Berater oder im Rahmen einer Vermögensverwaltung kaufen möchte. "Während früher nur reine Onlinebanken ETF vertrieben haben, werden die Produkte heute zunehmend auch bei Großbanken über deren Onlinekanäle aber auch innerhalb der Beratung über 'Flat Fee'-Modelle angeboten", sagt Scharl.

Auch die Einsatzmöglichkeiten nehmen zu. "Von Privatanlegern gibt es eine starke Nachfrage nach ETF-Sparplänen, die sich auch für die Altersvorsorge eignen", sagt Meyer zu Drewer. Und laut Scharl werden ETF von institutionellen Anlegern auch immer häufiger als Ersatz für Derivate gekauft. Doch Masarwah meint: "Auch ETF können sich zumeist nicht dem Markttrend entziehen. Während der volatilen Marktphase gab es im Februar überwiegend Abflüsse bei Aktien-ETF." ETF sind eben auch nur Finanzprodukte und keine Wundermittel.

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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