Erdbeben:Kartellamt gegen Gruner und Jahr

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Der Hamburger Verlag legt sich mit den Wettbewerbshütern an: mit der Zeitschrift National Georgraphic hat G + J seine beherrschende Stellung bei populären Wissenschaftsmagazinen auf Dreiviertel des Marktes ausgebaut. Die Kartellbehörde droht mit einem satten Bußgeld.

Von Hans-Jürgen Jakobs und Kai-Hinrich Renner

Die Zeitschrift gibt es in Deutschland seit fünf Jahren. Sie hat Ableger bekommen, etwa ein Journal für Kinder, und hat es mit Spezialversionen ins Fernsehen geschafft. Ihre Themenwelt ist populäre Geschichte und Erdkunde, ganz so, wie es die Väter des Magazins in Washington 116 Jahre lang gehalten haben.

Doch nun ereilt National Geographic aus dem Hause Gruner+Jahr (Stern) das Schicksal eines Erdbebens: Das Bundeskartellamt hat den Lizenzerwerb für die deutsche Ausgabe des weltweiten Magazins im Nachhinein untersagt.

Offenbar fühlen sich die Wettbewerbshüter genarrt durch den Hamburger Verlag, der zum Bertelsmann-Konzern gehört: Gruner+Jahr hatte 1998 ein 50-50-Gemeinschaftsunternehmen mit der spanischen Firma RBA Publicaciones Internacionales angemeldet, dabei aber nichts von einem geplanten Lizenzerwerb für National Geographic erwähnt.

Von der Sache bekam das Kartellamt erst im Sommer 2003 Wind; Monate später wurde ein Verfahren eröffnet. Die von Gruner+Jahr im April 2004 beantragte Vollübernahme des Joint-ventures G+J/RBA wurde nun auch abgelehnt.

Die Kartellbeamten argumentieren, die Hamburger beherrschten das Feld für populäre Wissenszeitschriften in Deutschland zu stark. Der zuvor mit Geo und P.M. erreichte Marktanteil von 60 Prozent wachse durch die Kontrolle über National Geographic auf 75 Prozent. G+J habe dabei auf die Geltung der englischsprachigen US-Ausgabe aufbauen können.

Angesichts der hohen Marktanteile und der Einbindung in den finanz- und ressourcenstarken Bertelsmann-Konzern habe der Deal "die marktbeherrschende Stellung von Gruner+Jahr verstärkt und war zu untersagen", so Kartellamtspräsident Ulf Böge. Dem Verfahren beigeladen war der Bauer-Konzern, der sich einmal ein Heft namens Horizonte geleistet hat.

G+J legte Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein: Erstmals in seiner Geschichte habe das Kartellamt die Neueinführung eines Produkts unter einer lizenzierten Marke als "anmeldepflichtigen Zusammenschluss bewertet".

Darauf reagiere man mit "Überraschung und Unverständnis", so Vorstand Bernd Buchholz. National Geographic Deutschland (Verkaufsauflage: 278.000) sei mit "erheblichen Anfangsinvestitionen" eingeführt worden; sämtliche Leser, Abonnenten und Werbekunden seien selbst gewonnen worden. Nach dem bestehenden Recht, so Buchholz, müsste ein Vorhaben nur angemeldet werden, wenn bereits bestehende Marktanteile übernommen werden.

Die aktuelle Ausgabe von National Geographic bringt wie gehabt viel Schönes aus aller Welt. Es geht um schlaue Tintenfische, einen Banjo-Spieler in Australien oder Eistouren in Patagonien. Chefredakteur Klaus Liedtke will kurz von dem fünfjährigen Jubiläum im Oktober von den Lesern Angaben über ihr Leseverhalten — "dann sind wir in der Lage, das Magazin für Sie ständig zu optimieren".

Im Kartellamt heißt es, die Lizenz-Anmeldung sei eine "Bringschuld" des Verlags gewesen. Die Beamten erwägen ein Bußgeld für die "Ordnungswidrigkeit" - es könnte bis zu 500.000 Euro betragen.

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