Entwicklungsländer:Wenn Investoren Bauern das Land rauben

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Eine Landwirtin in Kenia: Afrika ist besonders vom Landraub betroffen. (Foto: Riccardo Gangale/Bloomberg)
  • Investoren kaufen im großen Stil Ackerflächen in Entwicklungsländern. Zahllose Bauern können sich gegen dieses sogenannte Landgrabbing kaum wehren.
  • Einer Oxfam-Studie zufolge wurden in den vergangenen 15 Jahren Ländereien von insgesamt der Größe Westeuropas verkauft.

Von Markus Balser, Berlin

Anwalt Samuel Nguiffo erinnert sich noch gut an den Griff nach dem Land seiner Mandanten. Die New Yorker Investmentfirma Herakles Farms hatte einen gigantischen Plan: Auf 73 000 Hektar Regenwald und landwirtschaftlicher Fläche sollte im Südwesten Kameruns eine Palmölplantage der Investoren entstehen. Herakles hatte einen Pachtvertrag über 99 Jahre bereits in der Tasche, als die Sache öffentlich wurde. Die Verlierer: 50 000 Bauern der Region, die sich eigentlich als Eigentümer sahen.

Nguiffo und die Farmer nahmen den Kampf auf. Sie klagten, sie gründeten eine NGO, eine Nichtregierungs-Organisation, und sie bekamen Recht. 2013 wurde das Geschäft annulliert, die Konzession auf 20 000 Hektar reduziert. Doch der afrikanische Anwalt weiß: Recht ist in seinem Land eine Sache auf Zeit: "Das Problem bleibt." Nguiffo treibt deshalb inzwischen eine Kampagne voran, die das Landrecht Kameruns reformieren und die Bevölkerung und ihre Lebensgrundlage vor solchen Eingriffen besser schützen soll.

Besonders betroffen ist der Süd-Sudan: Hier wurden alleine vier Millionen Hektar verkauft

Der Konflikt in Kamerun steht für einen Kampf David gegen Goliath, der in vielen Ländern herrscht. "Weltweit spitzen sich Landkonflikte immer mehr zu", warnt eine neue gemeinsame Studie von Oxfam, der International Land Coalition (ILC) und der Rights and Resources Initiative (RRI), die an diesem Mittwoch in Rom veröffentlicht wird. Besonders betroffen sind derzeit neben Afrika Brasilien, Honduras, Peru und die Philippinen. Das Problem wird größer, denn die Rechte der lokalen Landnutzer sind schwach. "Nur ein Fünftel des Landes, das ländliche und indigene Gemeinden in Entwicklungsländern bewirtschaften, ist vor Landgrabbing geschützt," heißt es in dem Papier. Die verbleibenden fünf Milliarden Hektar seien gefährdet.

Laut Oxfam-Berechnungen wurden seit 2001 in Entwicklungsländern rund 230 Millionen Hektar Land verkauft. Eine Fläche, die etwa der Westeuropas entspricht. Am stärksten war bislang Afrika von den Landaufkäufen betroffen. Die Land-Matrix, eine Datenbank, die seit ihrer Gründung 2012 Informationen über weltweite Landkäufe und -verkäufe sammelt, listet auf Platz eins der Investorenziele den Südsudan auf. Hier wurden knapp über vier Millionen Hektar Land an Unternehmen abgegeben. Auf Platz zwei und drei folgen demnach Papua-Neuguinea und Indonesien. Die meisten Investoren weltweit kommen aus den USA, gefolgt von Malaysia und den Arabischen Emiraten. Saudi-Arabien gehört Land-Matrix zufolge ebenfalls zu den Top-Ten-Investoren. Auch China wird als Akteur immer bedeutender. Die Gründe für solche Investments sind unterschiedlich. Länder mit schlechten landwirtschaftlichen Bedingungen beziehungsweise schnell wachsenden Bevölkerungen wollen sich so für die Zukunft Nahrungsmittelsicherheit erkaufen. Auch in Europa, zum Beispiel in der Ukraine, bringen sich Investoren in Stellung.

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Für andere stehen schlicht die Geschäftszahlen im Vordergrund. Dass sich auch Investmentfirmen für Ländereien interessieren, gilt als vergleichsweise neues Phänomen, dessen Ursprung in der Finanzkrise liegt. Bis vor wenigen Jahren verschmähten die Finanzmärkte den Ackerboden, weil er zu wenig Gewinn versprach. Doch seit die Börsenkurse abstürzten, Staatsanleihen mit Risiken behaftet sind und festverzinsliche Geldanlagen kaum noch Renditen abwerfen, wurde Ackerland attraktiver. Zudem wird immer klarer, dass angesichts der weltweit wachsenden Bevölkerung Preise für Nahrungsmittel und Agrarrohstoffe steigen.

Es locken also langfristig gute Geschäfte - allerdings nicht für alle Beteiligten. "Für die lokale Bevölkerung im südlichen Afrika entstehen durch große Landinvestitionsprojekte viele Risiken und nur wenige Vorteile", stellte das Kieler Institut für Weltwirtschaft in einer Studie fest. Dass Investoren viel zu gewinnen, die lokalen Bauern aber viel zu verlieren haben, erhöht die Intensität der Konflikte. "Seit 2002 wurden fast Tausend Menschen, die ihre Landrechte verteidigt haben, getötet", heißt es in der Studie einer internationalen Hilfsorganisationen: "Konflikte über Landrechte standen seit 1990 vielfach im Mittelpunkt von Bürgerkriegen."

Fehlende rechtliche Standards sind das größte Problem

Das größte Problem sehen Experten in der schwachen Rechtsposition der Betroffenen. Sie fordern, dass sich der Anteil der formell abgesicherten Landrechte von indigenen und ländlichen Gemeinden bis 2020 verdoppeln muss und starten in dieser Woche einen weltweiten Appell. "Landrechte sind nicht nur ein Menschenrecht, sondern auch eine wichtige Voraussetzung für die Armuts- und Hungerbekämpfung, den Schutz natürlicher Ressourcen und der biologischen Vielfalt", sagt Marita Wiggerthale, die Ernährungs- und Landwirtschaftsexpertin von Oxfam in Berlin.

Doch die Kritiker der Land-Investoren wissen auch: Es wird ein zäher Kampf. Denn Staaten wie Konzerne und Investmentgesellschaften kaufen gezielt in solchen Ländern mit schlechter Regierungsführung. Dort gelten hohe Gewinne als sicher. Drei Viertel von jenen 60 Ländern, in denen Landgeschäfte getätigt werden, schneiden bei den rechtlichen Standards besonders schlecht ab. Wiggerthale begründet das so: "Dort, wo Menschen nicht die Möglichkeit haben, ihre Rechte einzufordern, können Investoren schnell und billig Land pachten oder kaufen."

© SZ vom 02.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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