Kritik vom BRH:Wie teuer ist die Energiewende?

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Die Energiewende, eine Rechnung mit vielen Unbekannten. (Foto: Stefan Rampfe/picture alliance)

Das Wirtschaftsministerium hat offenbar keinen Überblick darüber, was die Energiewende kostet. Zu kompliziert sei die Berechnung, heißt es dort. Der Bundesrechnungshof will das nicht gelten lassen. Er trifft damit einen wunden Punkt.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Kosten der Energiewende? Bei der Frage musste das Wirtschaftsministerium passen. Mitte November hatte der Bundesrechnungshof angefragt, eine der üblichen Inventuren in einem Ministerium. Man könne, beschied das Haus von Sigmar Gabriel (SPD) drei Wochen später, "auf die komplexe Frage, was die Energiewende den Staat koste, keine eindeutige Antwort geben". Im Bericht des Rechnungshofes liest sich das nun so: "Das federführende BMWi hat nach eigenen Angaben keinen umfassenden Überblick über die finanziellen Auswirkungen der Energiewende." Jetzt herrscht Streit.

Zuvor hatten die Rechnungsprüfer des Bundes, wie es so ihre Aufgabe ist, die Verwendung von Steuergeldern genau unter die Lupe genommen. Allerdings wird die Energiewende kaum aus Steuergeldern finanziert, den Großteil finanzieren Bürger und Unternehmen in ihrer Eigenschaft als Stromkunden, etwa über die Ökostrom-Umlage EEG oder die Netzentgelte. Also schaute der Rechnungshof vor allem auf die Organisation des zuständigen Ministeriums. Aber auch das bot Stoff für einen 39-seitigen Bericht. So sei die Zahl der Energiewende-Beamten in Bundesministerien gegenüber 2014 von 198 auf 314 gestiegen. Neue Stellen seien "ohne die Anwendung anerkannter Methoden der Personalbedarfsermittlung entstanden", heißt es in dem Papier, über das als erstes die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet hatte. Die Koordinierung zwischen beteiligten Ressorts, aber auch mit den Bundesländern sei unzureichend, zum Teil unterhielten Ministerien Service-Angebote im Internet, die sich überlappen.

Experten bezweifeln, dass es diese Art Überblick überhaupt geben kann

Die Schlussfolgerungen gehen über den Befund weit hinaus. "Ungeachtet der Komplexität" müsse sich das Ministerium "einen zentralen Überblick über die finanziellen Auswirkungen der Energiewende" verschaffen. Über Ausbau und Grenzen der Energiewende lasse sich nur entscheiden, "wenn der Staat weiß, wie viel die Energiewende den Staat und die Verbraucher von Energie kostet". Harter Tobak.

Doch Experten bezweifeln, dass es diese Art Überblick überhaupt geben kann. "Was der Bundesrechnungshof verlangt, ist unseriös", sagt Patrick Graichen, Chef des Berliner Thinktanks Agora Energiewende. "Niemand kann exakte Prognosen über die Kosten der Energiewende in zehn oder 20 Jahren abgeben." Allenfalls lasse sich auf Basis von Szenarien abschätzen, ob sich die Energiewende tatsächlich auszahlt - etwa gegenüber dem Status quo. Zumindest eine Studie des Thinktanks legt das nahe. Sie vergleicht die Kosten für ein komplett mit grüner Energie betriebenes Stromsystem mit denen, würde man weiter auf fossile Kraftwerke setzen, also auch neue bauen. Abgesehen von den Umwelteffekten sei die Energiewende "aus der Systemperspektive auch kostenseitig attraktiv", schreiben die Autoren der Studie. Allerdings liegt auch hier die Unsicherheit in den Annahmen: So richtig attraktiv wird der Umbau demnach erst, wenn Emissionsrechte für Kohlekraftwerke sich im Preis verzehnfachen.

Doch im aufziehenden Bundestagswahlkampf hat der Rechnungshof-Bericht seine Wirkung nicht verfehlt. "Der Bericht trifft einen richtigen und wunden Punkt", lobte der Unions-Energiepolitiker Thomas Bareiß. Es brauche mehr Wettbewerb beim "Monstrum Energiewende". Ganz anders sein SPD-Kollege Hubertus Heil: "Die Kritik ist völlig überzogen und läuft in vielerlei Hinsicht fehl". Schließlich habe die Koalition "mit zwei großen EEG-Reformen die Strompreisdynamik durchbrochen". So sieht es auch das Wirtschaftsministerium. Und die Grünen knöpfen sich gleich beide vor: Der Bericht sei eine "schallende Ohrfeige für die Energiepolitik von CDU/CSU und SPD", sagte deren Energiepolitiker Oliver Krischer.

© SZ vom 13.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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