Einkaufserlebnis in Österreich:Brot, Milch... und Botox

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Seit österreichische Plus-Filialen mit der Antifaltenkur zum Schnäppchenpreis locken, fragen alle entsetzt, was es wohl nächste Woche geben könnte. Dabei wollte der Arzt mit seiner Werbeaktion eigentlich eine ganz andere Diskussion anstoßen.

Von Corinna Nohn

"Wer schön sein will, muss laufen!" heißt es im Werbeprospekt der österreichischen Plus-Filialen. Dabei handelt es sich keineswegs um eine Aufforderung zu sportlicher Betätigung und gesunder Lebensweise.

Das Topmodel Joanna Krupa hat sicherlich keine Probleme mit Falten im Gesicht. (Foto: Foto: Reuters)

Gemeint ist: Die Kunden sollen sich beeilen, um einen Non-Food-Artikel der ausgefallen Art zu ergattern — eine Behandlung mit Botox, jenes zum Schönheitselixier stilisierte Nervengift, das bestimmte Gesichtsmuskeln teilweise lähmt und so für einige Monate die Falten im Gesicht glättet.

Nur die ersten hundert Interessenten bekamen die Antifaltenspritze für 149 (statt wie üblich 250) Euro, und innerhalb von zwei Tagen waren alle Termine vergeben.

Die Nachricht vom Supermarkt, der Nervengift offeriert, hat weltweit Wellen geschlagen: Auch in australischen und amerikanischen Online-Medien war vom Botox-Dicounter und der "Bread, milk,... and Botox"-Shopping-Tour zu lesen. Dabei ist Plus weder "Vertragspartner noch Vermittler", sondern nur Werbeplattform.

"Mit Blick auf den Stephansdom"

Denn es gibt die Botox-Ampulle nicht in den Einkaufwagen oder zum Selberspritzen. Und auch, wenn es nur zehn Minuten dauert — die Behandlung findet nicht in den Supermarkt-Filialen, sondern in einer Arztpraxis statt. Und zwar "mit Blick auf den Stephansdom in Wien", wie das Prospekt verheißt. Dort, in rundherum ästhetischer Lage, bietet Dr. Dr. Wolfgang Pirker die Anti-Falten-Kur zum Schnäppchenpreis an.

Doch was jene freut, die weder Mittel noch Wege in den Billig-Markt scheuen, um Krähenfüße und Lachfalten los zu werden, hat weitreichende Folgen: Zum einen wird jetzt heiß diskutiert, ob ein Discounter der rechte Platz für den Vertrieb von Antifaltenspritzen sei, und was dann wohl noch alles kommen könnte.

Zum anderen stieß sich die Österreichische Ärztekammer an der Werbemethode Pirkers: Er habe gegen die Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" verstoßen.

Disziplinaranwalt eingeschaltet

Der Richtlinie nach ist Ärzten jede "unsachliche, unwahre und das Ansehen der Ärzteschaft beeinträchtigende Information verboten", und dazu gehöre eben auch Pirkers "aufdringliche und marktschreierische" Werbung im Plus-Prospekt. Die Kammer hat den Disziplinaranwalt eingeschaltet, der den Fall nun prüfen wird.

Werben dürfen Ärzte also, nur wie, ist die Frage. "Andere 'Ärzte' laden zum Prosecco-Empfang oder locken mit Gratisbehandlungen, Gewinnspielen oder Geschenkgutscheinen. Da regt sich keiner drüber auf. Mit diesen Werbemethoden stehen alle seriös arbeitenden Ärzte in Konkurrenz", verteidigt sich Pirker.

Es sei höchste Zeit, dass der Gesetzgeber endlich klare Werberichtlinien erlasse, sowohl die Basismedizin als auch die Luxus- oder Wellness-Medizin betreffend — und zwar EU-weit. Darüber wolle er mit seiner provokanten Aktion zur Diskussion anregen.

EU-weit gleiche Regelung gefordert

Botox lähmt bestimmte Gesichtsmuskeln und glättet so Falten. (Foto: Foto: Reuters)

Sorgen um seine Glaubwürdigkeit macht sich der Facharzt für Gesichtschirurgie und Spezialist für Implantologie nicht.

Er verstehe nicht, dass die Qualität seiner Behandlung in Frage gestellt werde, weil er mit einem Supermarkt kooperiert, der für Schnäppchen und Schleuderpreise bekannt ist: "Ich arbeite ja nicht weniger gut, nur, weil ich nicht in einem noblen Hochglanzmagazin, sondern in dem orange-blauen Discounter-Prospekt inseriere."

Er habe eine 14-jährige Ausbildung hinter sich und sei ein erfahrener Spezialist. Nicht nachvollziehen könne man hingegen, welche Qualifikationen die zahlreichen tschechischen und ungarischen Ärzte, die in Österreich auf Flugblättern mit Dumping-Preisen werben, besäßen. "Da muss man schon fair sein und allen Ärzten EU-weit die gleichen Möglichkeiten zur Werbung zugestehen", findet Pirker.

Nebenwirkungen sind nicht dem Medikament anzulasten

Ob man denn nicht auch auf eventuelle Risiken hätte hinweisen müssen — besonders angesichts der jüngsten Botox-Fälle in den USA, wo vier Patienten lebensgefährlich erkrankt sind?

Nein, es sei nicht seine Aufgabe, über die Verfehlungen anderer Ärzte aufzuklären. Nebenwirkungen, die auf falsche Technik und Unerfahrenheit beruhten, seien nicht dem Medikament anzulasten, sondern den Ärzten.

"Jedes Medikament kann überdosiert werden. Botox ist einfach zu applizieren, sicher und effektiv. Bei richtiger Dosierung treten ausschließlich lokale Nebenwirkungen auf. Die Vorfälle in den USA sind darauf zurückzuführen, dass Botox von unklarer Reinheit, Dosierung und Herkunft verwendet wurde", erklärt Pirker.

Falls nun der eingeschaltete Anwalt beim Disziplinarsenat, der sich aus Ärzten und Richtern zusammensetzt, Anklage erhebt, drohen Pirker eine Geldbuße oder sogar temporäres Berufsverbot. Dem sieht Pirker gelassen entgegen: "Gegen diese Vorverurteilung durch die Ärztekammer habe ich bereits rechtliche Schritte unternommen."

Darüber hinaus dürfe man bei der ganzen Diskussion nicht vergessen, so Pirker, dass es sich in diesem Fall ja nicht um eine notwendige medizinische Leistung, sondern um ein Lifestyle-Produkt handele, worauf man verzichten könne, ohne einen medizinischen Nachteil zu erleiden.

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