E-Mobilität:Eine Schwalbe, kein Sommer

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Den Kultroller soll es bald mit Elektromotor geben. Der Markt für E-Scooter erwacht zögerlich.

Von Louisa Schmidt, Berlin

Sie sieht aus wie die Alte, was fehlt, sind Knattern und Gestank. Die neue Schwalbe nähert sich lautlos und ohne Abgase. Und eigentlich passt sein schöner Name erst jetzt so richtig zu dem Motorroller. Der Hersteller Simson baute die Schwalbe bis vor 30 Jahren in der DDR - und viele halten sie bis heute für Kult.

Zum Jubiläum stellte nun der Elektrorollerhersteller Govecs gemeinsam mit dem Automobilzulieferer Bosch einen Nachbau des Scooters vor - allerdings mit Elektroantrieb. Auf Messen gab es Versionen einer neuen Schwalbe schon oft als Prototyp zu sehen, nach Jahren der Ankündigungen soll sie es nun auf den Markt schaffen. Ab kommenden Sommer will der Hersteller liefern.

Govecs-Chef Thomas Grübel meint, dass die Zeit für die E-Schwalbe gekommen ist. Denn elektrische Motorroller könnten die Städte der Zukunft prägen - dürfen sie doch auf dem Bürgersteig abgestellt werden, sind wendig und verträglich für die Umwelt. Trotzdem wollen sich die E-Roller auf dem deutschen Markt noch nicht so recht durchsetzen. Genaue Zahlen gibt es nicht - Kleinkrafträder brauchen nur eine Versicherung, müssen aber nicht angemeldet werden.

Ob die neue Schwalbe das ändern kann? Über eine Million von ihnen knatterten die ostdeutschen Straßen entlang und auch heute ist sie noch beliebt. Doch das Modell von Govecs hat einen Nachteil: Während das Original 60 Kilometer pro Stunde schafft, kommt es mit nur 45 km/h auf den Markt. Denn für schnellere Fahrzeuge reicht der normale Autoführerschein nicht - mit Ausnahme von alten DDR-Modellen, die eine Sonderstellung genießen.

Die Geschwindigkeitsbeschränkung ist für Kurt Sigl, Präsident vom Bundesverband E-Mobilität, ein Problem. Im engen Stadtverkehr würden die Rollerfahrer ständig von den schnelleren Autos bedrängt. "Wir würden uns deshalb wünschen, dass die Grenze zehn Stundenkilometer höher liegt", sagt er. Durch die derzeitige Obergrenze stünden die Roller auch in direkterer Konkurrenz zu E-Bikes, deren Verkaufszahlen von Jahr zu Jahr stark steigen.

Fans des Simson-Rollers bei einer Ausfahrt. (Foto: Michael Reichel/dpa)

Ein weiteres Hindernis: der Preis. Die Elektroscooter sind noch eine ganze Ecke teurer als die meisten Benziner, zumindest in der Anschaffung. Die Schwalbe etwa soll 5000 Euro kosten. "Doch der Markt wächst, auch weil Anbieter inzwischen attraktivere Preise bieten", sagt Sigl. Damit meint er etwa das Modell der Berliner Firma Unu - den günstigsten Roller gibt es dort für 1700 Euro. Die Preise anderer Hersteller sind aber meist höher. Allerdings fällt auch die Wartung in der Regel günstiger aus, und der Stromantrieb kostet weniger als Benzin - nicht einmal ein Euro pro 100 Kilometer, sagen die Hersteller.

Was die Kosten nach wie vor am meisten treibt, ist die Batterie. Wie auch bei Elektroautos tüfteln die Hersteller daran, wie diese günstiger werden und vor allem eine höhere Reichweite schaffen können. Über 100 Kilometer sollen es bei der Schwalbe nun immerhin sein, bei vielen Konkurrenzmodellen sind es nur 50 oder 65 Kilometer. Andere Anbieter setzen auf Wechselakkus: Gegen einen - oft nicht gerade kleinen - Aufpreis kann man dann einen zweiten Akku kaufen und ihn bei Bedarf tauschen. Der Vorteil: Die Akkus lassen sich herausnehmen und an einer normalen Steckdose aufladen. Die Batterie kann man dann einfach mit in die Wohnung oder ins Büro nehmen, aufladen, weiterfahren. Die Schwalbe kann man zwar auch an eine normale Steckdose anschließen, allerdings nur das gesamte Gefährt.

Tatsächlich könnte die Zeit reif sein für die neue Schwalbe. Leise Anzeichen deuten daraufhin, dass Elektroroller demnächst häufiger auf deutschen Straßen anzutreffen sein werden. So ist die elektrische Schwalbe auch nicht das einzige Projekt von Bosch in Sachen E-Rollern. Anfang August stieg das Unternehmen mit seiner Tochterfirma Coup in den Berliner Sharing-Markt mit Elektroscootern ein. 200 Roller können die Kunden nun per App leihen, Helme inklusive. Das Ziel steckt deutlich höher: 1000 sollen es werden.

Bei Simson-Treffen kommen mitunter tausende Fans zusammen. (Foto: Michael Reichel/picture alliance / dpa)

Bosch konkurriert mit Emio, das seine Flotte von 150 Rollern schon 2015 bereit stellte. Das Start-Up kooperiert inzwischen mit den Stuttgarter Stadtwerken, die das Sharing-Modell mit 15 Rollern testen. Auch in Köln und München werden Elektroroller verliehen, allerdings in überschaubaren Stückzahlen. In anderen europäischen Städten ist man schon weiter, etwa in Barcelona und Paris. In die französische Hauptstadt will Govecs bald 1000 weitere Roller zum Teilen liefern.

Schaut man etwas weiter weg, zeichnet sich ein völlig anderes Bild: In China gehören Elektroroller fest zum Straßenbild. Pendler, Lieferdienste, Studenten, Verkäufer, sie alle manövrieren etliche Millionen Exemplare durch die verstopften Metropolen. Dass sie in China so erfolgreich sind, liegt vor allem am dort oft katastrophalen Smog. Wegen ihm hat die chinesische Regierung die knatternden Benziner schon Ende der Neunziger Jahre von den Straßen verbannt.

In Deutschland nimmt die Politik das Thema immerhin schon einmal wahr: Das Verkehrsministerium unterstütze Mobilitätskonzepte und Leihsysteme mit elektrischen Zweirädern, sagt Staatssekretär Rainer Bomba - was immer das heißen mag. In Tübingen gibt es sogar eine Abwrackprämie für alte Roller. Wer sich ein E-Moped oder E-Bike als Ersatz für einen Benziner zulegt, bekommt 500 Euro. München dürfte bald mit einer 1000-Euro-Prämie nachziehen, erwartet BEM-Präsident Sigl.

© SZ vom 28.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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