Direkt und lokal:Brot für die Nachbarn

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Cafés und Bäckereien haben eine einfache Möglichkeit entwickelt, wie man beim Einkaufen gleich für andere mitbezahlt.

Von Laura Terberl, München

Ein Brot für die Tüte, das zweite für den Haken: In der Münchner Bäckerei Neulinger wird es einem sehr einfach gemacht, zu spenden. Man bezahlt ganz regulär für Kaffee, Kuchen oder eben ein Brot. Aber anstatt es mitzunehmen, kommt die Quittung an den Haken: ein Brett, das neben der Kasse steht. Jeder, der sich sein Brot oder seine Brezel nicht leisten kann, darf sich jetzt eine Quittung vom Brett nehmen und bekommt den bereits bezahlten Einkauf. "Gestern haben gleich vier Kunden hintereinander was aufgehängt", erzählt eine Verkäuferin. Normal sind zwei bis drei Spenden am Tag, aber wenn viel Betrieb ist, hätten die Kunden Zeit, sich den Haken genauer anzuschauen.

Das Projekt "Brot am Haken" gibt es in München seit Mitte 2015, 15 Bäckereien machen mit. Die Kunden beteiligen sich gerne, sagt Michael Spitzenberger, der das Projekt initiiert hat: "Den Leuten gefällt, dass sie unkompliziert etwas weitergeben können. Man spendet spontan und entscheidet ganz frei darüber, was und wie viel man geben möchte." Bäckereien eignen sich für das Projekt vor allem deshalb sehr gut, weil sie viele Stammkunden haben, sagt Spitzenberger: "Die Kunden hängen etwas an den Haken, kommen am nächsten Tag wieder und sehen, dass jemand den Bon mitgenommen hat." Das freut den Spender und auch die Bäckereien: Für die ist das Projekt nämlich auch eine gute Werbung.

Die Hilfe soll unkompliziert sein, Bedürftige können sich den Gutschein einfach nehmen

Ein ähnliches Projekt hat Saskia Rüdiger gestartet: Die 19-Jährige kümmert sich seit drei Jahren um die sogenannten "Suspended Coffees". Das Prinzip ist dasselbe wie Brot am Haken: Kunden können bei ihrer Bestellung einen zusätzlichen Kaffee "aufschieben" - für den nächsten Kunden, der ihn sich nicht leisten könnte. Bundesweit machen 230 Cafés mit.

Wer ein Brot an den Haken hängt oder einen Kaffee aufschiebt, weiß nicht nur, was er spendet, sondern auch, dass jemand in der direkten Nachbarschaft davon profitiert. Das unterscheidet Brot am Haken von Initiativen wie "Deutschland rundet auf", bei denen im Supermarkt geringe Cent-Beträge für soziale Zwecke gespendet werden können.

Solche Projekte vereinfachen das Spenden ungemein, sind aber darauf angewiesen, dass auch genügend Bedürftige selbstständig das Angebot nutzen. Das war bei Brot am Haken anfangs ein Problem: Es gab nicht genügend Menschen, die sich die Quittungen vom Haken genommen haben. Eine Bäckerei musste die Haken deshalb wieder von der Theke nehmen. Auch Saskia Rüdiger kennt das Problem: "Bei den Menschen, die spenden möchten, verbreitet sich so etwas einfach schneller." Sie empfiehlt den Cafés, die Bons für den aufgeschobenen Kaffee in einem großen Glas zu sammeln oder an ein Brett zu hängen. So erfahren Kunden von dem Projekt und wer den Kaffee möchte, kann sich den Bon einfach nehmen ohne erst nachfragen zu müssen.

Auch Brot am Haken möchte die Hemmschwelle für Bedürftige möglichst niedrig halten. Deshalb müssen Kunden auch nicht beweisen, dass sie sich das Brot auch wirklich nicht leisten könnten. Mittlerweile hat sich das Projekt herumgesprochen und läuft an allen Standorten sehr gut. Spitzenberger plant, mit seiner Initiative zu expandieren. Bei der Bäckerei Neulinger warten an diesem Morgen zehn Bons am Haken, der älteste davon ist wenige Tage alt.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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