Digitalkonferenz in München:China im Morgennebel

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Klare Worte: Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) am Wochenende auf der Digitalkonferenz DLD in München. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Bei der DLD-Konferenz geht es um die globale digitale Vormacht, nicht nur die der Konzerne wie Facebook und Google. Außenminister Gabriel sieht eine weitere Gefahr im Morgennebel.

Von Caspar Busse und Helmut Martin-Jung, München

USA, China oder Europa, wer beherrscht künftig die digitale Welt. Und wer wird möglicherweise schon bald den Anschluss verlieren? Darüber haben am Wochenende Unternehmer, Politiker und Experten auf der Digitalkonferenz DLD in München diskutiert. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat dabei ein ungewöhnlich eindringliches Plädoyer dafür gehalten, dass Europa nicht abgehängt werden dürfe. Der SPD-Politiker warb für ein gemeinsames Handeln der EU angesichts der Herausforderungen der digitalen Welt. Die Frage sei: "Werden wir zu tatenlosen Zuschauern im neuen Kalten Krieg um Technologie werden? Oder kann Europa mit besseren Antworten aufwarten?"

Das Rennen sei noch nicht gelaufen, sagt Paul-Bernhard Kallen. Man befinde sich aber in der entscheidenden zweiten Halbzeit, so der Vorstandsvorsitzende des Medienunternehmens Burda, das Veranstalter des DLD ist. Das Spiel dürfe man nicht den Tech-Experten überlassen, sondern alle seien gefragt. In Europa ändere sich derzeit vieles, das Klima für Start-ups werde besser, die Unternehmen gingen auf die Digitalisierung ein. Gefährlich sei aber, dass die Strategie der USA und die Chinas sehr ähnlich sei, mahnte Kallen: Beide Länder wollten mit einer Handvoll globaler Unternehmen führend sein und damit den Weltmarkt beherrschen.

"Die digitale Revolution erlaubt es autoritären Regimes, noch autoritärer zu werden."

Dabei entstünden gefährliche Monopole, die angegangen werden müssen. Kallen nannte etwa die Dominanz von Google bei Android, der Software für Smartphones. Tim Höttges, des Chef der Deutschen Telekom, gibt europäischen Unternehmen schon jetzt keine Chance mehr, im Verbraucher-Geschäft mit Online-Plattformen zu amerikanischen und chinesischen Firmen aufzuholen: "Den Kampf haben wir für immer verloren. Aber im Internet der Dinge, im Geschäft zwischen Unternehmen - hier liegt die Stärke Europas, hier haben wir etwas zu gewinnen." Er habe es satt, dass europäische Politiker und zum Teil auch Unternehmer "Meister im Beobachten" seien. Es gelte endlich zu handeln. Höttges forderte erneut, die Regulierung für Telekommunikationsunternehmen zu lockern, dann könne endlich mehr investiert werden.

Europa sei in puncto Digitalisierung "nicht gerade vorne dran", kritisierte auch Gabriel. Noch immer sähen manche die Digitalisierung als Trend, der wieder vergehen werde wie Morgennebel. "Es gibt das zunehmende Gefühl, dass die technologische Entwicklung den Westen mit seinen offenen Gesellschaften und Märkten erstmals global benachteiligen kann, statt ihm einen Vorsprung zu verschaffen", so Gabriel weiter. Das geschehe auch noch in einer Zeit, in der die liberale Weltordnung ohnehin von manchen in Frage gestellt werden.

Kritisch sieht er China. Die Europäer zeigten sich oft verärgert darüber, wie dominant die USA und deren Konzerne wie Facebook oder Google seien. Aber in China würden ebenso große Firmen entstehen. 2025 wollen die Chinesen zehn global führende Unternehmen auf diesem Sektor haben. Und ein soziales Punktesystem für Bürger, basierend auf Überwachung. "Die digitale Revolution erlaubt es autoritären Regimes, noch autoritärer zu werden - Big Brother trifft Big Data", sagte Gabriel.

Europa müsse daher sein Potenzial nutzen, die eigenen Werte zu bewahren. Man dürfe nicht zum Lieferanten für bestimmte einzelne Technologien werden, müsse Daten besser nutzen und weniger nationalstaatlich denken. Nur ein starkes Europa könne verhindern, selber zum Spielball der Entwicklungen zu werden. "Wir haben keine Alternative, wenn wir in der Welt von morgen noch eine Rolle spielen wollen", sagte Gabriel. Um das zu erreichen, müsse man investieren und Risiken eingehen.

Einer der US-Konzerne, die derzeit die digitale Welt kontrollieren und die heftig, auch wegen des Umgangs mit Daten, kritisiert werden, ist Facebook. Elliot Schrage, Kommunikations- und Politikchef des sozialen Netzwerks, verteidigte sich in München: "Facebook ist kein digitales Wild-West." In den vergangenen Jahre habe das Unternehmen zu viel in neue Dinge investiert, räumt er ein, und zu wenig gegen Missbrauch und Hetze getan. Das werde sich ändern: "Wir müssen mehr zum Schutz unserer Gemeinschaft tun." Facebook hat gerade einen Strategiewandel angekündigt, den Nutzern sollen mehr Beiträge von Freunde und Verwandten und weniger von Medien und Unternehmen angezeigt werden. Schrage kritisierte das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (Netz DG). Es mache "uns zu Richtern, Geschworenen und Vollstreckern, und ich denke, das ist eine schlechte Idee". Laut Netz DG, das seit Jahresanfang gilt, müssen die Unternehmen klare strafbare Inhalte nach einem Hinweis sofort löschen.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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