Digitale Firma:Hurra, die Digitalisierung ist da

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Eintauchen in fremde Welten: Die virtuelle Welt kann auch ohne 3-D-Brille schneller real werden, als manchen Firmen lieb ist. (Foto: Manu Fernandez/AP)

Positive Beispiele helfen, um die Belegschaft und auch die Banken für Veränderungen zu gewinnen.

Von Helmut Martin-Jung

Na klar gibt's die noch, Unternehmer, die glauben oder zumindest hoffen, diese Digitalisierung genannte Mode werde schon irgendwann wieder vorübergehen. Doch das wird sie nicht. Denn was sich gerade abspielt, ist nichts, was kommt und wieder geht. So wie man mal Outsourcing betrieb und dann doch wieder einiges in die Firmen zurückgeholt hat.

Nein, es geht um eine Entwicklung, die ähnliche Folgen haben wird wie einst die Dampfmaschine. So wie die Dampfmaschine urplötzlich die Kraft vervielfältigte, die Mensch oder Tier bis dato aufzubringen imstande waren, so wirkt die Digitalisierung. Es ist dabei aber nicht so, dass man nach der Formel verfährt: normaler Prozess + Digitalisierung = neuer Prozess. Auf diese Weise würde man in den meisten Fällen nicht allzu viel gewinnen.

Deutschland steht beim Thema künstliche Intelligenz nicht so schlecht da wie befürchtet

Vielmehr geht es darum, alle Prozesse eines Unternehmens daraufhin zu prüfen, ob sie nur Gewohnheit oder wohlüberlegte Praxis darstellen. Keinesfalls darf man dabei die Beharrungskräfte der "Haben wir schon immer so gemacht"-Fraktion unterschätzen. Digitalisierung muss zwar von der Führungsebene gewollt sein, wichtig ist dabei aber auch, viel Überzeugungsarbeit zu leisten und mit positiven Beispielen den Weg zu weisen.

In vielen Unternehmen werden daher erst einmal kleine, oft sogar räumlich getrennte Digitalisierungseinheiten ins Leben gerufen. Diese probieren in kleinerem Rahmen zunächst einzelne Projekte durch. Wenn die funktionieren, können sie ins große Unternehmen übernommen werden. Dabei kommt es dann darauf an, auch die bestehende Mannschaft für das Neue zu begeistern.

Eine große Rolle wird der künstlichen Intelligenz zukommen. Selbstlernende Maschinen werden künftig viele Routinejobs übernehmen. Bei Maschinen darf man keineswegs nur an Roboter denken, die monotone Handgriffe übernehmen und solche, die viel Kraft erfordern. Es geht auch um Bürojobs, bei denen auch viel Routinearbeit anfällt. Aber was machen die, die bisher die Routinejobs erledigt haben?

Es wäre zwar unredlich zu behaupten, alle, die von schlauen Maschinen und Systemen ersetzt werden, würden nun anspruchsvollere Tätigkeiten ausführen können. Es wird sicher viele geben, die ihren Job verlieren. In der Tendenz aber könnte es durchaus so sein, dass die Menschen sich mehrheitlich den Tätigkeiten widmen können, die Maschinen auf absehbare Zeit nicht übernehmen werden.

Denn auch wenn Hollywood-Filme das Gegenteil nahelegen: Künstliche Wesen mit menschenähnlicher kreativer Intelligenz oder auch nur der Fähigkeit, Sprache so verarbeiten zu können wie ein Mensch, wird es so schnell noch nicht geben - wenn es denn überhaupt je dazu kommt. Wenn also von künstlicher Intelligenz die Rede ist, dann geht es eher darum, Aufgaben an Maschinen abzugeben, die sich gut automatisieren lassen.

Für manche etwas überraschend zeigt sich beim Thema künstliche Intelligenz, dass Deutschland nicht so schlecht dasteht, wie von vielen befürchtet. Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey nennt die Technologie einen Wachstumsmotor für die Industrie. Der Markt für Anwendungen rund um künstliche Intelligenz wachse jährlich um 25 Prozent. McKinsey betont vor allem, das künstliche Intelligenz die Produktivität steigern könne. Bis 2030 könne durch diese Technologie ein Zugewinn an Produktivität im Wert von insgesamt 160 Milliarden Euro erzielt werden.

Angesichts solcher Aussichten fällt es Firmen aus diesem Bereich erheblich leichter als noch vor einigen Jahren, das nötige Kapital für Aufbau und Expansion aufzutreiben. Während 2011 weltweit nur etwa 67 Finanzierungsrunden für Start-ups aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz abgeschlossen wurden, waren es 2015 schon knapp 400 - und die Tendenz zeigt weiter steil nach oben.

Damit künstliche Intelligenz aber überhaupt etwas bewirken kann, müssen Daten her - am besten so viele wie nur irgend möglich. Eine Besonderheit dieser Technologie ist ja, dass sie in Datensammlungen, die für Menschen völlig undurchdringbar wären, in kürzester Zeit Muster identifizieren kann. So werden beispielsweise verborgene Engpässe in der Produktion sichtbar oder aber auch mechanische Probleme bei einer Maschine, lange bevor diese tatsächlich kaputtgeht. Für viele Unternehmen bedeutet ein solches Denken eine große Umstellung. Eine, die zu unterlassen sich aber als sehr folgenschwer erweisen könnte.

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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