Digitale Druckverfahren:Intelligent verpackt

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Maschinenbauer setzen auf neue Drucktechniken und digitale Systeme. Die Verpackungsindustrie hofft auf steigende Umsätze.

Von Stefan Weber

Marie Delaperrière war die Erste. Vor gut zwei Jahren eröffnete die gebürtige Französin in Kiel einen Laden, in dem es aussieht wie früher bei Tante Emma: Saisonales Obst und Gemüse liegen gut sortiert in geflochtenen Körben neben Eiern. Daneben, an der Wand, prall gefüllte Zapfsäulen mit Müsli, Kaffeebohnen und Süßigkeiten. Allen Produkten ist eins gemein: Sie werden ohne Verpackung verkauft. So hat Delaperrière ihr Geschäft denn auch "Unverpackt" genannt. Die Idee der Unternehmerin aus Kiel hat Nachahmer gefunden. Inzwischen gibt es auch in Berlin und in anderen Städten vergleichbare Läden.

Dennoch: Industrie und etablierte Händler sind sicher, dass die Idee, Lebensmittel lose zu verkaufen eine Nische bleiben wird - zur Freude von Herstellern und Bedruckern von Verpackungen. Denn Kartons, Folien, Dosen oder Tüten bedeuten nicht nur Müll. Verpackungen übernehmen auch wichtige Funktionen. In erster Linie schützen sie die Ware und halten sie frisch. Schätzungen zufolge wandern in jedem Jahr weltweit 1,3 Milliarden Tonnen Nahrungsmittel in den Abfall, weil sie auf dem Weg vom Erzeuger zum Verbraucher verderben. Die Konservierung in Kunststofffolien, Kartons, Dosen und auch Flaschen kann somit einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Hunger leisten. Verpackungen schützen aber auch nicht verderbliche Waren vor Beschädigungen, die ihren Wert mindern oder sie gar unverkäuflich machen.

Verpackungen bieten die Möglichkeit, Informationen über das Produkt zu transportieren. Etwa Angaben zu den Inhaltsstoffen, zur Qualität und zur Herkunft oder zum Mindesthaltbarkeitsdatum sowie zum Preis. Angaben auf den Verpackungen sind auch wichtig, um ein Lebensmittel unter Umständen zurückrufen zu können. Dazu müssen Verbraucher, Handel und Hersteller den Artikel identifizieren können. Mit aufgedruckten QR-Codes lassen sich solche Botschaften multimedial einbetten.

Wenn Produkte ausgereift und Wettbewerber unter Qualitätskriterien kaum noch zu unterscheiden sind, kommt es mehr denn je auf das Äußere an, auf die Verpackung. Ihr Design prägt das Bild, das sich Verbraucher von einer Marke machen. Eine positive, hochwertige Anmutung der Verpackung macht häufig den entscheidenden Kaufanreiz aus. Und sie trägt Untersuchungen zufolge in großem Umfang zur Markenbindung bei. Hier kommt der Drucktechnik besondere Bedeutung zu: In Verbindung mit neuen Materialien und Tinten strukturiert und veredelt sie Verpackungen nicht nur optisch, sondern auch haptisch. Darüber hinaus ist Drucktechnik der Schlüssel zu einer intelligenten Verpackung. Aufgedruckte Sensoren können etwa Unterbrechungen in einer Kühlkette registrieren oder den Frischegrad von Fleisch, Fisch oder Gemüse anzeigen. Aufgedruckte GPS-Sender können den Transport hochwertiger Produkte verfolgbar machen und das Diebstahlrisiko senken. Und drucktechnisch aufgebrachte Hologramme auf Siegeln auf Verpackungen erschweren Plagiatoren die Arbeit.

Was intelligente Verpackungen leisten können, zeigt ein Projekt des britischen Getränkekonzerns Diageo und des norwegischen Elektronikunternehmens Thinfilm. Sie haben ein gedrucktes Etikett für eine Whisky-Flasche entwickelt, das drahtlos mit Smartphones von Kunden kommuniziert. Das Etikett kann feststellen, ob die Flasche geöffnet wurde und es kann Kunden Informationen über Sonderaktionen oder Rezepte für Drinks übermitteln. Diego ist mit diesem Label auch in der Lage, Flaschenbewegungen in der gesamten Lieferkette zu verfolgen.

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden bis 2030 etwa fünf Milliarden Menschen in Städten mit Lebensmitteln und weiteren Gütern des täglichen Bedarfs versorgt werden müssen. Treiber ist dabei vor allem die zunehmende Konsumbereitschaft der wachsenden Mittelschichten in Schwellen- und Entwicklungsländern. Gerade um diese neuen Kunden langfristig an sich zu binden, setzen die Hersteller auf edel anmutende Verpackungen. Das Marktforschungsunternehmen Smithers Pira schätzt, dass der asiatische Verpackungsmarkt bis 2018 etwa 40 Prozent des Weltmarkts ausmachen wird. Der wiederum werde bis 2018 mit jährlichen Raten von vier Prozent auf 865 Milliarden Euro wachsen.

Für Maschinenbauer aus dem Bereich Druck- und Papiertechnik bietet dies Chancen. "Der Druckmaschinenbau kann und wird mit dem Verpackungsmarkt wachsen", prognostiziert Thilo Sporbert, Leiter Business Development für Druckmaschinen in der Digital Factory Division von Siemens in Erlangen. Smithers Pira zufolge wird der Umsatzanteil des Verpackungs- und Labeldrucks bis 2018 deutlich steigen und dann etwa die Hälfte des Gesamtdruckmarktes ausmachen. Die höchsten Wachstumsraten, so die Erwartung der Marktforscher, verzeichnen dabei digitale Druckverfahren. Gegenwärtig macht der Digitaldruck jedoch erst etwa 2,5 Prozent des Marktes aus. Umsatzgaranten im Verpackungsbereich bleiben nach Einschätzung von Branchenkennern bis auf Weiteres herkömmliche Druckverfahren.

Marie Delaperrières Geschäftsidee, Lebensmittel lose zu verkaufen, wird das Wachstum des Verpackungsmarktes somit nicht bremsen. Aber sie ist zumindest ein Anlass, im Sinne der Umwelt den Sinn von zu viel Verpackungen zu hinterfragen.

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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