Dieter Zetsche:Staatsanwälte ermitteln gegen Daimler-Boss

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Daimler-Chef Dieter Zetsche soll 2002 als Zeuge im Prozess gegen einen Spediteur falsch ausgesagt haben. Der Fall erfährt neue Brisanz.

Dagmar Deckstein

Daimler-Chef Dieter Zetsche steht ein Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage ins Haus. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft bestätigte am Wochenende, dass sie einem Anfangsverdacht gegen den Konzernchef nachgehe, er habe 2002 in einem Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht gegen einen Graumarkthändler aus dem Landkreis Heilbronn die Unwahrheit gesagt.

Zetsche war von 1995 bis 1998 im Konzernvorstand für den Vertrieb zuständig und hatte in dem Verfahren zwar zugegeben, dass es gelegentlich zu solchen Graumarktgeschäften gekommen sei. Er selbst habe aber gegen diese Form der Verkaufs am exklusiven Händlernetz vorbei stets gekämpft.

Sogenannte Graumarktgeschäfte dienen in erster Linie dazu, die Absatzzahlen von Autos durch große Preisnachlässe in die Höhe zu treiben. Sie sind zwar nicht verboten, kollidieren aber mit den Regeln der EU-Wettbewerbshüter: denen zufolge dürfen Hersteller mit einem exklusiven Vertriebsnetz - wie etwa Mercedes - keine Graumarkthändler beliefern.

Der Heilbronner Spediteur Gerhard Schweinle hatte mehr als 1000 Luxusautos von Mercedes mit Rabatt bekommen und mit Gewinn weiterverkauft. 2002 war er vom Landgericht wegen Steuerhinterziehung und Betrugs zu zunächst zu vier Jahren Haft verurteilt, nach der Revision aber später vom Bundesgerichtshof (BGH) weitgehend rehabilitiert worden.

Der BGH wollte ein "stillschweigendes Einverständnis" des Autokonzerns bei solchen Graumarktgeschäften nicht ausschließen. Schweinles Existenz als Spediteur war allerdings durch das Verfahren vernichtet, nachdem Daimler den Händler fallengelassen hatte. Der Konzern wurde vom BGH zu Schadenersatz verurteilt.

Schweinle hatte 2005 Strafanzeige gegen die Daimler-Zeugen - darunter Zetsche und der inzwischen geschasste Mercedes-Inlandsvertriebschef Jürgen Fahr - gestellt. Die Stuttgarter Ermittler sahen aber keinen Hinweis auf Falschaussagen.

Strafanzeige eines Daimler-Kritiker

Das änderte sich auch nicht, als der Buchautor und dezidierte Daimler-Kritiker Jürgen Grässlin Ende 2006 die zweite Strafanzeige gegen Zetsche wegen uneidlicher Falschaussage erstattete und neue Unterlagen vorlegte.

Auch in seinem jüngsten Buch "Abgewirtschaftet? Das Daimler-Desaster geht weiter" übt Grässlin beißende Kritik an Zetsche und bekräftigt seinen Verdacht, dieser habe im seinerzeitigen Schweinle-Prozess bewusst unrichtige Angaben gemacht.

Seither streiten Zetsche und Grässlin in dieser Sache gesondert vor Gericht: Zetsche verlangt von Grässlin 50.000 Euro Schmerzensgeld wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Darüber verhandelt das Hamburger Landgericht am Freitag.

Wegen der abschlägig beschiedenen Strafanzeige gegen Zetsche legte Grässlin bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart Beschwerde ein und schob neue Unterlagen nach.

Darunter befinden sich Lieferlisten von Mercedes an den Spediteur Schweinle und Briefe von Ex-Vertriebsmanager Jürgen Fahr an Zetsche, aus denen hervorgehe, dass Zetsche sehr wohl von solchen Graumarktgeschäften gewusst habe.

Der seinerzeitige Prozess gegen Schweinle von 2002 steht jetzt, fünf Jahre später, kurz vor der Verjährung. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sieht Daimler einem Sprecher zufolge "sehr gelassen".

© SZ vom 26.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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