Diebstahl aus Schweizer Gelddruckerei:Die Not mit den Noten

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Aus der Schweizer Gelddruckerei Orell Füssli wurden einige Tausenderscheine gestohlen. Keine gewöhnlichen Geldnoten, sondern halbfertige Produkte, für die es keine Verwendung gibt. Es sei denn, der Dieb will dem Unternehmen schaden.

Von Wolfgang Koydl, Zürich

Kaum eine zweite Währung hat einen so guten Ruf wie der Schweizer Franken: Fest wie ein Alpenmassiv ist er, die letzte Zuflucht, wenn alle anderen Devisen ins Wanken geraten. Noch stabiler als das Geld sollte nur noch das Unternehmen sein, das die Scheine druckt: Stabil, solide, unantastbar, ein Hort helvetischer Integrität und Redlichkeit. Doch davon ist derzeit wenig zu spüren bei Orell Füssli.

Das 500 Jahre alte Unternehmen kommt nicht aus den negativen Schlagzeilen heraus. Die jüngste Panne ist besonders peinlich: Aus der Sicherheitsdruckerei am Sitz in Zürich-Wiedikon wurden 1800 blaue Tausend-Franken-Noten gestohlen. Besonders unangenehm: Es könnte sich um den Racheakt eines Angestellten gehandelt haben, dem es gar nicht um finanziellen Vorteil ging - die Scheine waren nicht fertiggestellt.

Außer für die Schweizer Nationalbank druckt der Konzern für 16 weitere Notenbanken Geld. Als Herausstellungsmerkmal galten bislang Zuverlässigkeit und Präzision. Franken druckt Orell Füssli schon seit 1911. Dieses Bild dürfte nun Kratzer bekommen haben. Denn wie der Zürcher Tages-Anzeiger berichtet, gibt es über weite Strecken im Produktionsprozess keine Sicherheitskontrollen. "Zu Schichtbeginn reingehen, Overall anziehen, an die Maschine, bei Schichtende Overall ausziehen, in den Garderobenschrank hängen und wieder heimgehen - das war das Procedere", zitiert das Blatt einen ehemaligen Drucker. Erst der letzte Arbeitsschritt, bei dem die fertig gedruckten Bögen geschnitten und die Scheine gebündelt werden, werde lückenlos überwacht.

Rache für Umstrukturierungen?

Den Tausendern, die in einer Londoner Wechselstube auftauchten, fehlten denn auch die Seriennummern und eine Mikroperforation. Bögen mit derart unfertigen Scheinen zu entwenden sei relativ leicht, erklärte der Ex-Mitarbeiter. Warum wurde dann nicht schon früher gestohlen? "Solches Geld ist unbrauchbar, und wenn man versucht, es in Umlauf zu bringen, endet man genau so, wie die Volldeppen im aktuellen Fall", meinte er. Die wurden in London verhaftet.

Der Verdacht liegt deshalb nahe, dass der Dieb versuchte, die Firma zu desavouieren, womöglich aus Rache für Umstrukturierungsmaßnahmen, die mit dem Abbau großzügiger Schichtzulagen einhergegangen sein sollen. In dem Unternehmen, das neben Geld auch Pässe druckt, Bücher verlegt und eine Buchhandelskette betreibt, liegt seit Längerem einiges im Argen.

In diesem Jahr rutschte die Division Sicherheitsdruck erstmals in die roten Zahlen. Zudem verzögert sich wegen technischer Pannen die Herausgabe der neuen Franken-Serie, die schon 2010 in Umlauf gebracht werden sollte. Und unter ungeklärten Umständen verließ im vergangenen Juli der Leiter der Abteilung Sicherheitsdruck das Unternehmen. Zuvor war ihm Konzernchef Michel Kunz zur Seite gestellt worden. Im Oktober 2012 ereignete sich auch der Diebstahl der unfertigen Tausender.

© SZ vom 04.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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