Die neue Bahncard-Falle:Mitgereist, mitgestraft

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Wegen eines Formfehlers beim Mitfahrer-Rabatt müssen Reisende häufig nachzahlen. Der Verbraucherverband prüft jetzt eine Abmahnung der Bahn.

Von Andreas Kunze

Bahncard-Nutzern drohen wegen eines Formfehlers hohe Nachlöse-Forderungen. Das bestätigte die Deutsche Bahn (DB) jetzt auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung.

(Foto: Foto: dpa)

Der viel beworbene Mitfahrer-Rabatt gilt nur, wenn die Mitfahrer auf dem gleichen Ticket reisen wie der Bahncard-Inhaber. Werden zum gleichen Gesamtpreis einzelne Tickets gekauft, entfällt der Rabatt.

Weniger Wirrwarr und doppelter Preis

Nach dem Desaster mit dem geänderten Tarifsystem startete die Deutsche Bahn im Herbst vergangenen Jahres eine Charmeoffensive. Mit dem Wirrwarr um Frühbucher-Vergünstigungen sollte Schluss sein. Stattdessen sollte eine runderneuerte Bahncard die Kunden zurück in Züge bringen.

Der Preis für die Bahncard verdoppelte sich im Vergleich zur Vorgänger-Version, die DB lockte jedoch vor allem damit, nun könnten bis zu vier Mitreisende den Rabatt von 25 oder 50 Prozent ebenfalls nutzen.

Blick ins Kleingedruckte

Bevor die Kunden sich dem "Unternehmen Zukunft" (Werbeslogan der Bahn) anvertrauen, sollten sie sich jedoch zunächst einmal intensiv mit dem Kleingedruckten beschäftigen:

Zwar weist die Bahn in den Produktbeschreibungen ausdrücklich darauf hin, dass der Mitfahrer-Rabatt nicht beim Verkauf im Zug eingeräumt wird — eine viel wichtigere Einschränkung verschweigt sie aber in der Werbung, bei den Ticketautomaten oder sogar in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen speziell für die Bahncard:

Unrechtmäßiger Rabatt und Strafgebühr werden kasiert

Es muss ein gemeinsames Ticket vorhanden sein. Zieht ein ahnungsloses Pärchen beispielsweise zwei Fahrscheine für insgesamt 100 Euro statt ein gemeinsames Ticket für 100 Euro, muss der Mitreisende den Rabatt plus Strafgebühr an den Kontrolleur nachlösen.

Diese überraschende Klausel findet sich unscheinbar in den "Allgemeinen Beförderungsbedingungen" der Deutschen Bahn unter Punkt 3 für Fahrpreise: "Ein BahnCard-Rabatt wird nur für die erste Person und nur auf den Normalpreis gewährt. Es wird eine gemeinsame Fahrkarte ausgegeben."

Das klingt doch etwas anders als in der Produktbeschreibung, wo es schlicht heißt: "Mit dem Mitfahrer-Rabatt reisen bis zu vier Mitfahrer für den halben Preis. Er kann mit den Sparpreisen kombiniert werden (kein Verkauf im Zug)."

Missbrauch sollte ausgeschlossen werden

Ein Bahnsprecher begründet den Kniff im Kleingedruckten so: "Würden die Fahrgäste nicht auf einer Fahrkarte reisen, könnte das Mitfahrerangebot missbraucht werden. Ein Fahrgast könnte sich als Mitfahrer ausgeben und behaupten, der Bahncard-Besitzer halte sich im Zug gerade woanders auf.

Besonders in stark frequentierten Zügen wäre es dann schwierig, den vermeintlichen BahnCard-Besitzer ausfindig zu machen." Wie viele Mitreisende bislang schon nachträglich abkassiert und mit Strafgebühren belegt wurden, wollte oder konnte die Bahn trotz mehrfacher Nachfrage nicht mitteilen.

Kontrolleure sagen jedoch hinter vorgehaltener Hand: "In jedem Waggon schnappen wir mindestens einen, der darauf reingefallen ist." Rückerstattungen auch bei einwandfrei berechtigten Mitfahrern lehnt die Deutsche Bahn gleichwohl ab.

Rechtzeitig kündigen

Ob das alles rechtmäßig ist, hält der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) in Berlin für fraglich. Der für die Bahn zuständige vzbv-Referent Otmar Lell sagte: "Wir werden prüfen, ob die Werbe-Aussagen zum Mitfahrerrabatt irreführend sind und die Deutsche Bahn gegebenenfalls abmahnen."

Der Grund: "Selbst wenn ein Kunde bis in die Allgemeinen Beförderungsbedingungen einsteigen sollte, wird ihm die Bedeutung dieser Vorschrift schwerlich klar werden."

Kunden, die aus diesem oder einem anderen Grund von der neuen Bahncard genug haben sollten, müssen daran denken: Das Abo verlängert sich ohne Kündigung automatisch um ein Jahr. Die Kündigung muss sechs Wochen vor Ablauf eines Jahres schriftlich beim Bahncard-Service der Deutschen Bahn eingehen.

Wer also seit 1. Oktober 2003, dem Start der neuen Bahncard, Kunde ist, muss schon Mitte August die Kündigung rausschicken.

© SZ vom 19.05.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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