Deutschland im Kampf gegen die Bestechung:Wer schmiert, fliegt raus

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Ein bundesweites Korruptionsregister soll Firmen abschrecken - doch bei den Unternehmen wächst die Angst vor einem Makel, den sie nicht mehr loswerden können.

Von Klaus Ott

Die GP Papenburg Bau GmbH, ein mittelständisches Unternehmen aus Hannover, arbeitet viel und gerne für die Bahn. Die ICE-Strecke von München nach Nürnberg entsteht derzeit mit Hilfe der Niedersachsen.

Auch am Ausbau der Linie von Hannover in die Hauptstadt Berlin, die Bundeskanzler Gerhard Schröder gerne benutzt, war Papenburg beteiligt.

Doch seit Mitte 2002 ist Schluss mit neuen Aufträgen; die Deutsche Bahn (DB) will mit dem Unternehmen einstweilen nichts mehr zu tun haben.

Stattdessen trifft man sich demnächst öfter vor Gericht. Frühere Mitarbeiter von Papenburg werden verdächtigt, über Firmenkonten Schmiergeld an einen langjährigen DB-Ingenieur gezahlt zu haben, um bei der Trasse von Hannover nach Berlin überhöhte Rechnungen stellen zu können. Die Staatsanwaltschaft in Hannover ermittelt seit zweieinhalb Jahren, ein Ende ist noch nicht absehbar.

Die Frage ist: Wann darf ausgesperrt werden?

Was die Justiz bislang recherchierte, genügte der DB aber, um eine mehrjährige Vergabesperre gegen das Unternehmen zu verhängen.

Ein Bahn-Ingenieur hatte für vermeintliche Beratertätigkeiten und andere Arbeiten viel Geld von Papenburg kassiert; mal 22.080 DM, mal 90.000 DM, eine Rechnung belief sich gar auf 130.000 DM.

Die betreffenden Tätigkeiten seien teilweise "frei erfunden", befand Mitte 2003 das Amtsgericht Hannover. Offenbar handele es sich um "Scheinrechnungen"; es bestehe der Verdacht der Bestechlichkeit. Der Ingenieur hatte sich beim Amtsgericht vergeblich dagegen gewehrt, dass Teile seines Vermögens beschlagnahmt werden.

Laut vorläufigem Ermittlungsergebnis soll er dazu beigetragen haben, dass die DB zu Unrecht eine nachträgliche Rechnung von Papenburg über 1,8 Millionen DM bezahlt habe. Der Schaden falle noch viel höher aus, vermutet die Bahn. Das Staatsunternehmen, das sein Schienennetz mit Milliardenbeträgen des Bundes repariert und modernisiert, ist der größte Auftraggeber für den Bau in Deutschland.

Papenburg erklärte am späteren Dienstagnachmittag auf Anfrage, man habe sich nach Bekanntwerden der Verdachtsmomente von einem Geschäftsführer und einem Sachbearbeiter für so genannte "Nachträge" getrennt und, soweit möglich, zur Aufklärung beigetragen.

Die anderen Firmenchefs und die Anteilseigner hätten von den Vermutungen, es könnten 1,8 Millionen Euro zu viel gezahlt worden sein, nichts gewusst. Man habe "alles Menschenmögliche getan", um sich vom eventuellen Fehlverhalten zweier Ex-Mitarbeiter zu distanzieren.

Am Donnerstag verhandelt das Landgericht Berlin über eine Klage des Unternehmens gegen die Bahn auf ausstehende Mittel, das nächste Verfahren dort folgt bald. Die Niedersachsen wollen die Vergabesperre gegen ihre Firma für unzulässig erklären lassen.

Der Streit ist kein Einzelfall. Schon an anderen Orten und in anderen Branchen musste die Justiz prüfen, ab wann der Korruption bezichtigte Firmen ausgesperrt werden dürfen.

Jetzt will Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sogar ein bundesweites Register einführen, in dem solche Unternehmen aufgelistet werden. "Korruption bekämpft man durch Transparenz", sagte Clement, als er seine Pläne für ein neues Vergaberecht präsentierte.

Gemeinden, Städte, Landkreise, Länder und Bund sowie deren Zweckverbände und Tochtergesellschaften sollen verpflichtet werden, ihre geplanten Aufträge öffentlich anzuzeigen, vorzugsweise im Internet. Anschließend müsse auch bekannt gegeben werden, wer zu welchen Konditionen den Zuschlag erhalten habe.

Im Kartellgesetz ist auch an einen neuen Paragrafen 126a gedacht. Das Bundesamt für Wirtschaft soll die Befugnis erhalten, ein "zentrales Register" einzurichten. Darin könnten dann Unternehmen eingetragen werden, die von "öffentlichen Auftraggebern wegen Unzuverlässigkeit ausgeschlossen worden sind", lautet Clements Gesetzesvorschlag.

Alle staatlichen Stellen sollten diese Firmen kennen, schreibt das Ministerium. In dem Verzeichnis wären dann beispielsweise die knapp 30 Ingenieurbüros und Firmen nachlesbar, die in den vergangenen Jahren auf der schwarzen Liste des Staatsunternehmens DB gelandet sind. Die betreffenden Firmen müssten damit rechnen, im ganzen Lande bei Ausschreibungen fortan leer auszugehen.

Bauindustrie in Sorge

Der bloße Verdacht von Schmiergeldzahlungen oder anderen Vergehen dürfe aber nicht dazu führen, dass ein Unternehmen gleich im Korruptionsregister genannt werde, mahnt Michael Knipper, Geschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.

Das bedürfe einer "sehr sorgfältigen Abwägung", sonst sei die Existenz von Firmen gefährdet. Schon nach wenigen Monaten könne ein Unternehmen bei fehlenden Aufträgen am Ende sein. Es müssten etwa ein dringender Tatverdacht und Geständnisse vorliegen.

Nur unter diesen Umständen dürfe der Staat Unternehmen in das Korruptionsregister aufnehmen, ehe ein rechtskräftiges Urteil vorliege, sagt Knipper. Wann dieses Stadium erreicht wird, darüber hat der Bundestag schon vor Monaten diskutiert.

Anlass war die Konzernrichtlinie 165.0001 der Bahn, "Sperrung von Auftragnehmern oder Lieferanten". Darin sind auf elf Seiten die Voraussetzungen genau notiert: Einfache Verdachtsmomente genügten nicht, man benötige mehr: Haftbefehle, Durchsuchungsbeschlüsse, Bescheide der Kartellbehörden, oder ähnliches. Auch die "Wiederzulassung" von Firmen ist geregelt.

Der Bauindustrie ging das trotzdem zu weit, ihr Hauptverband bestellte ein Gutachten und streute es breit. Eine "Verdachtssperre" greife in die unternehmerische Freiheit ein und sei "verfassungswidrig", war darin nachzulesen.

Das Bundesverkehrsministerium sah dies anders und teilte dem Parlament mit, beim "begründeten Tatverdacht einer schweren Verfehlung" habe man gegen die Vorgehensweise der Bahn nichts einzuwenden. Bahnchef Hartmut Mehdorn schimpfte, die Bauwirtschaft tue sich "sehr schwer" mit Vergabesperren, die eines der wirksamsten Mittel gegen die Korruption seien.

Das Landgericht in Frankfurt am Main gab der Bahn vor einem Jahr Recht, als ein Betrieb, der gut 150.000 Euro Schmiergeld gezahlt hatte, gegen eine zweijährige Sperre klagte. Diese Strafe sei hart, aber gerecht.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken urteilte in einem Fall aus der Müllbranche später ähnlich. Der Ausschluss eines Unternehmens von einem Millionenauftrag sei korrekt, weil die Staatsanwaltschaft gegen eine Tochtergesellschaft wegen Betrugs ermittele.

Das Unternehmen könne sich nicht auf die Unschuldsvermutung berufen, immerhin habe schon ein Haftbefehl vorgelegen. Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner aus Frankfurt, einer der bekanntesten Korruptionsermittler in Deutschland, plädiert für ein zentrales Register, der Abschreckung wegen.

In einem Interview sagte er, bei einer Vergabesperre sei zu prüfen, ob Bestechung zur Geschäftspolitik des Unternehmens gehöre oder ob es sich um Verstöße etwa eines einzelnen Bauleiters handele. Im Übrigen lasse sich eine Unternehmensspitze auch austauschen, um wirtschaftliche Schäden durch eine Aussperrung abzuwehren.

Bauverbandschef Knipper warnt dennoch vor Übereifer und verweist auf Mehdorns persönliche Erfahrungen, der von Staatsanwälten selbst der Korruption verdächtigt worden war; zu Unrecht, wie sich hinterher herausstellte.

In einem Brief an die Mitarbeiter der Bahn äußerte sich deren Vorstandschef bestürzt, "wie schnell und voreilig in diesem Land ein Manager völlig unberechtigt an den Pranger gestellt" werden könne. Wenn sich Mehdorn gegen vorschnelle Vorwürfe verwahre, sagt Knipper, müsse das auch für die Bauindustrie gelten.

© SZ vom 16.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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