Deutscher Mittelstand:Was macht eigentlich...Gottlieb Hupfer?

Lesezeit: 5 min

Aus Abwasser kann durch Vergärung Energie gewonnen werden. Ähnliche Prozesse laufen im Magen einer Kuh ab, wie die Skizze veranschaulicht. (Foto: Enviro Chemie)

Der Mittelstand gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Aber womit verdienen die Familienunternehmer ihr Geld? Ein Gespräch mit Gottlieb Hupfer, Chef von Enviro Chemie, über Abwasser, darüber wann sich Bakterien wohlfühlen und was im Magen einer Kuh passiert.

Von Elisabeth Dostert

Was machen Sie eigentlich?

Wir bauen Anlagen für die Abwasseraufbereitung für die Industrie.

Was ist so schön an Abwasser?

Abwasser ist niemals schön. Schön daran ist, dass es in unterschiedlichen Ländern und Industrien anfällt und deshalb nie langweilig wird, weil wir immer Maßschneiderei betreiben müssen mit unseren Anlagen.

Schauen Sie sich, wenn eine neue Anfrage eingeht, immer zuerst das Abwasser an, das Sie klären oder aufbereiten sollen?

Ja, wir holen uns immer Proben und analysieren diese. Wir machen auch Versuche. Es sind ja nicht nur Abwässer, sondern auch Prozesswässer. Das ist Wasser, das wir aufbereiten, um Reinwasser für die Produktion zu haben. Ein Drittel unserer Erlöse entfällt auf Anlagen für Prozesswasser, zwei Drittel auf Abwasser. Jeder Einzelfall muss geprüft werden, Standardprodukte reichen fast nie.

Was ist Prozesswasser?

Wasser, das in Produkte einfließt, oder mit dem Produkte bearbeitet werden. Da reicht Trink- oder Brunnenwasserqualität nicht, da braucht man Reinstwässer, entsalzte Wässer, enthärtete Wässer, zum Beispiel um die Karosserien in einer Autofabrik zu reinigen.

Mussten Sie auch schon Aufträge ablehnen?

Das tun wir relativ oft. In zwei von zehn Anfragen sagen wir Nein.

Weil Sie es nicht können?

Nein, weil wir dafür nicht ausreichend spezialisiert sind, und es nicht zu unserem Kerngeschäft zählt. Das hängt manchmal vom Land oder der Industrie ab, aus dem oder der die Anfrage kommt, und den dort herrschenden Normen. Wir arbeiten sehr ungern für die Öl- und Gasindustrie, die stark von US-amerikanischen Normen geprägt ist, die bei uns nicht so gängig sind.

Sind die Normen strenger?

Nein, anders. Da kommen wir mit unseren klassischen Komponenten und Designs nicht weiter. Ein ganzes Konzept entsprechend dieser Normen umzuarbeiten, kostet viel Zeit und wird selten bezahlt.

Welche Industrie ist besonders schmutzig?

Schmutzig ist ein schwieriges Wort. Am wenigsten verschmutzt im Sinne von nicht giftig sind Abwässer aus der Lebensmittel- und Getränkeherstellung. Sie sind organisch hoch belastet, und man kann Energie aus ihnen gewinnen. In Molkereien und Brauereien fallen sehr große Mengen Abwasser an. Das ist unser Lieblingsabwasser. Es lässt sich relativ gut behandeln.

Was machen Sie damit?

Wir gewinnen Biogas durch anaerobe Vergärung, also unter Abwesenheit von Sauerstoff, bei Temperaturen von mehr als 30 Grad Celsius. Das läuft so ähnlich ab wie im Magen einer Kuh. Solche Gärprozesse sind uralt, die nutzten schon die Chinesen vor tausend Jahren. Die haben es dann bloß wieder vergessen. Der Prozess ist also nicht neu, nur die verfahrenstechnische Umsetzung für Tausende Kubikmeter Abwasser am Tag ist noch nicht so alt. Es gibt nur eine Handvoll Firmen in Europa, die das wirklich gut können.

In wie vielen Molkereien stehen Ihre Anlagen schon?

In mehr als zehn Molkereien. Eine der effizientesten Anlage steht in Umeå in Nordschweden. Das Abwasser enthält viel Molke und damit auch viel Energie.

Wie genau funktioniert die Vergärung?

Wir führen dem Abwasser Bakterien zu. Die stammen aus einer bestehenden Anlage und werden per Tankwagen zur neuen Anlage gebracht, gepäppelt, gedüngt und temperiert, bis sie sich auf das neue Abwasser eingestellt haben. Sobald sich die Bakterien wohlfühlen, das dauert so etwa drei Monate, fangen sie an, die organischen Inhaltsstoffe im Abwasser zu fressen. Dabei entsteht Energie.

Und wenn aus unerklärlichen Gründen Mittel zur Reinigung der Tanks in die Anlage gerät, sind die Bakterien futsch?

Nein. Das ist ganz normal, und die Reinigungsmittel müssen biologisch abbaubar sein.

Wenn Sie eine Anlage nach China liefern, lassen Sie sich auch von dort Abwasserproben kommen?

Ja, aber nur in 2- oder 5-Liter-Dosen. Manchmal auch im privaten Gepäck, in Flaschen oder Teedosen.

Machen Sie das auch selbst?

Manchmal.

Ist schon mal etwas ausgelaufen?

Mir nicht.

Gibt es Länder, die im Umgang mit Abwasser besonders fortschrittlich sind?

Der Grad der Abwasserreinigung läuft ziemlich parallel zur industriellen Entwicklung. Wenn das Bruttoinlandsprodukt niedrig ist und die Infrastruktur schlecht, dann steckt meist auch die Abwasserbehandlung in den Anfängen. Wir stellen allerdings auch fest, dass es immer weniger auf das Land als auf den Kunden ankommt. Unsere Abnehmer sind private Unternehmen. Wenn wir nach Indonesien, Pakistan oder wie jetzt nach Mexiko liefern, ist das fast nie eine lokale Firma, sondern ein multinationaler Konzern wie Beiersdorf, Procter & Gamble oder Toyota. Die stellen in allen Ländern die gleichen Anforderungen unabhängig von den lokalen Vorschriften.

Warum?

Weil die Produktion standardisiert ist. Die für Abwasser festgelegten Kennziffern, Emissionsgrenzwerte, Werte für den ökologischen Fußabdruck gelten heute weltweit.

Wenn das Wasser durch Ihre Anlagen durch ist, kann man es dann trinken?

Es kann Trinkwasserqualität haben, braucht es oft aber nicht. Wenn es aus der Fabrik in eine kommunale Kläranlage fließt, braucht man die biologische Stufe nicht selbst zu machen. Dann werden in der Fabrik nur Giftstoffe wie Schwermetalle herausgefiltert. Wenn das geklärte Wasser allerdings direkt von der Fabrik in einen Fluss abgeleitet wird, sind die Anforderungen an die Reinheit teilweise noch höher als in den Trinkwasserverordnungen. Technisch kann ich jede Qualität von Wasser aus Abwasser produzieren. Aber die Reinigung kostet Geld und Energie. Das ist also eine Preisfrage.

Ist der Umgang in Ländern, in denen Wasser knapp ist, nicht anders als in Ländern, in denen es wie in Deutschland reichlich vorhanden ist?

Das ist eine schwierige Frage. In Ländern, in denen Wasser knapp ist, ist Wasser häufig besonders billig, das ist politisch so gewollt. Es wird als Allgemeingut gesehen, dass die öffentliche Hand dem Bürger zur Verfügung zu stellen hat. Deshalb ist in vielen wasserarmen Regionen, etwa in Afrika, Wasser viel zu billig. Wasser zu sparen, lohnt sich dort nicht. In hochentwickelten Ländern wie Deutschland ist der Wasserpreis einigermaßen richtig, weil auch die Kosten dafür umgelegt werden. Da lohnt sich dann auch die Rückgewinnung. Wenn ein Kubikmeter weniger als einen Euro kostet, rechnet sich diese nicht. Sie brauchen ja Energie, um Filter und Pumpen zu betreiben.

Haben Sie den Eindruck, dass "die" Deutschen den Wert des Wassers schätzen?

Ja. Die Mitteleuropäer haben in den vergangenen 40 Jahren durchaus gelernt, die Umwelt mit anderen Augen zu sehen, anders mit Wasser und Abfällen umzugehen. In anderen großen Ballungsräumen, etwa in Brasilien, fangen die Leute jetzt auch an, umzudenken. Das macht mich froh. So alt ist der Umweltschutz bei uns ja auch noch nicht. In meiner Kindheit gab es auch noch hinter jedem Dorf eine Mülldeponie. Wir haben dazu gelernt, und das tun andere Völker auch.

Gehen Sie denn heute sparsamer mit Wasser um als früher?

Ich beschäftige mich jetzt 31 Jahre mit Abwasser. Mein Umgang mit Wasser hat sich nicht wesentlich verändert. Ich dusche heute genauso lange wie früher. Wir sollten vielleicht Energie sparen, aber Wasser gibt es in Mitteleuropa reichlich. Es kommt ständig neues vom Himmel.

Wie oft waschen Sie Ihr Auto?

Da bin ich relativ schlampig. In der Regel alle drei Monate, dann schickt mich meine Frau zur Waschanlage. Ich würde es nie im Hof waschen. Das macht doch bei uns niemand mehr. Das würde ich nicht übers Herz bringen. Das sieht man vielleicht noch in Russland.

Wenn man so einen Job wie den Ihren macht, sehen Sie die Welt mit anderen Augen?

Gottlieb Hupfer (Foto: Foto Studio Hirch)

Ja, sehr. Ich bin gelassener geworden. Ich sehe, wie sich Dinge verändern. Ich weiß aber auch, dass manche Dinge Zeit brauchen. Wir sind nicht der Nabel der Welt, die anderen können auch was.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: