Der Stern verblasst:Größter Rückruf der Mercedes-Geschichte

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Der Autohersteller Daimler-Chrysler ruft weltweit 1,3 Millionen Fahrzeuge der Marke Mercedes in die Werkstätten zurück.

Von Karl-Heinz Büschemann

"Wir möchten, dass auch die in Kundenhand beanstandeten Fahrzeuge zu einem Qualitätsstand kommen, der unseren höchsten Anspruchen genügt", erklärte der Chef von Mercedes, Eckhard Cordes.

Ein Firmen-Sprecher erklärte, dass es eine so umfangreiche Rückholaktion bei Mercedes noch nicht gegeben hat. Es handele sich aber nur zum Teil um einen klassischen Rückruf.

Bei einigen weniger gravierenden Problemen wolle man aber nicht auf den nächsten Routine-Besuch der Werkstatt warten. Die Maßnahme läuft sofort an. Die betroffene Kunden würden schriftlich benachrichtigt. Die Kosten bezifferte das Unternehmen nicht.

An die Verlustgrenze gerutscht

Der Konzern hatte aber schon im vergangenen Jahr so hohe Rückstellungen für Qualitätsverbesserungen und Rückrufaktionen, dass der Gewinn der angesehenen Marke im letzten Quartal um rund 750 Millionen Euro geschrumpft war und die Mercedes-Gruppe sogar knapp an die Verlustgrenze gerutscht war.

Nach Angaben von DaimlerChrysler sollen alle Fahrzeuge mit Sechs- und Achtzylinder-Benzinmotoren aus dem Produktionszeitraum Juni 2001 bis 2004 in die Werkstatt gerufen werden. Bei diesen Autos geht es um den Spannungsregler der Lichtmaschinen.

Bei Fahrzeugen der Baureihen E- und CLS-Klasse, die zwischen Januar 2002 und Januar 2005 produziert wurden, ist die Software des Batteriesteuergerätes für die Stromversorgung mangelhaft. Diese Mängel hätten auch bei einem Routine-Werkstatt-Besuch ausgeräumt werden können.

Schwerwiegender sind die Mängel an den Bremsen der E-, SL- und CLS-Klasse aus dem Fertigungszeitraum Juni 2001 bis heute. Bei diesen Fahrzeugen sind die Pumpen an den Bremsen mangelhaft, so dass gelegentlich der Bremsdruck nicht ausreicht.

Es habe deswegen schon Unfälle mit leichten Sachschäden gegeben, so ein Unternehmenssprecher. Diese Fehler hätten in jedem Fall sofort behoben werden müssen, heißt es bei DaimlerChrysler.

Übertriebene Elektronik

Die Marke Mercedes steht seit einigen Jahren wegen nachlassender Zuverlässigkeit in der Kritik. Dass in den ersten Monaten dieses Jahres der Absatz stark zurückging, wird vom Unternehmen auch mit den Qualitätsproblemen begründet.

In den ersten beiden Monaten des Jahres ging der Absatz von Mercedes weltweit um 20.000 Stück auf 123.000 Autos zurück. Der seit dem 1. Oktober 2004 amtierende Mercedes-Chef Cordes hat daher versprochen, die Qualität der Autos mit dem Stern wieder zu heben. "Wir haben die Probleme im Griff."

Zuvor musste Konzernchef Jürgen Schrempp einräumen, dass die Qualität von Mercedes gesunken sei. Auch der langjährige Chef der Mercedes-Sparte, Jürgen Hubbert, hatte zugestanden, dass Mercedes mit der Einführung neuer elektronischer Bauteile "übertrieben" habe.

Schlusslicht bei der Zuverlässigkeit

Vor allem in den USA war das Ansehen der Marke Mercedes wegen häufiger Ausfälle dramatisch gefallen. Das Unternehmen ist in den USA in den Zuverlässigkeits-Statistiken des angesehenen Instituts JD Power im vergangenen Jahrzehnt von der Spitzenstellung auf Rang 28 (von 37 Plätzen) gefallen.

Die E-Klasse hatte in der Studie sogar nur den letzten Platz belegt. Daher war auch in den USA der Verkauf von Mercedes zuletzt stark rückläufig. Cordes hatte als neuer Chef deshalb auf der Bilanzpressekonferenz von DaimlerChrysler ein Sparprogramm und eine Qualitätsoffensive angekündigt.

Anfang des Jahres war bei Mercedes schon einmal eine peinliche Technik-Panne bekannt geworden. Einspritzpumpen für Dieselmotoren, die ebenfalls Bosch geliefert hatte, erwiesen sich als mangelhaft. Mercedes wie BMW mussten deshalb im Februar für einige Tage Fabriken schließen.

Wegen Problemen mit den Bremsen musste Mercedes erst vor einem Jahr etwa 680.000 Autos der E- und SL-Klasse weltweit in die Werkstätten zurückrufen. In Deutschland waren 225.000 Fahrzeuge betroffen.

© SZ vom 1.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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