Der Neue:Netter Junge mit viel Einfluss

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Er höre wirklich zu, sagen Mitarbeiter über Pichai. (Foto: Manu Fernandez/AP)

Sundar Pichai wird Chef von Google unter dem Dach der neuen Firma Alphabet.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt eine Szene in der Fernsehserie Silicon Valley, in der die Heuchelei der Technikbranche wunderbar persifliert wird. Der Gründer eines Start-ups prahlt damit, dass er US-Präsident Barack Obama bei einem Treffen erklärt habe, wie das so läuft im Norden Kaliforniens: "Okay, natürlich machen wir einen Haufen Kohle und wirbeln die Medienbranche durcheinander", aber das Wichtigste sei doch, dass die Unternehmen die Welt durch elegante Programmierung, also mithilfe von Technik, zu einem besseren Ort machen. Sie halten sich allesamt für Weltverbesserer im Silicon Valley, zumindest sprechen sie sehr oft davon - ganz so als sei in einem Handbuch für Gründer festgelegt, dass das Reden übers Gutsein das Mindestziel ist. Sundar Pichai hat dieses Handbuch ganz offensichtlich noch nicht gelesen, zumindest gehört der neue Geschäftsführer von Google nicht zu den lauten Menschen. Als Firmengründer Larry Page ihm im Oktober die Leitung des Online-Geschäfts übertrug, da schrieb Silicon-Valley-Größe Om Malik via Twitter, was viele dachten: "Es ist der Beweis, dass nette Jungs tatsächlich gewinnen können."

Pichai wurde vor 43 Jahren in der südindischen Stadt Chennai geboren, im Alter von 21 Jahren kam er als Student in die Vereinigten Staaten. Er erzählte einmal, dass seine Eltern all ihre Ersparnisse dafür verwendet hatten, um ihrem Sohn das Flugticket kaufen zu können. Nach Abschlüssen an den Eliteuniversitäten Stanford und Wharton arbeitete Pichai als Produktmanager bei Applied Materials und als Berater bei McKinsey, 2004 wechselte er kurz vor dem Börsengang zu Google. Wer nicht weiß, wer dieser Pichai ist, der dürfte zumindest all die Produkte kennen, an denen er in den vergangenen elf Jahren gearbeitet hat: am Google-Browser Chrome, dem Dienst Drive und dem E-Mail-Anbieter Gmail, am Kartendienst Maps und dem mobilen Betriebssystem Android.

Im Mai vergangenen Jahres gab es Gerüchte, dass er Geschäftsführer von Microsoft werden könnte, im Herbst jedoch machte ihn Page zur Nummer zwei im operativen Geschäft bei Google. Nun wird Pichai CEO eines laut Page "etwas verschlanktem" Unternehmen unter dem Dach der neu gegründeten Firma Alphabet. Page schreibt im firmeneigenen Blog: "Er teilt in vielen Dingen meine Meinung und hat sich seit Oktober stark entwickelt. Die Zeit ist gekommen, dass Sundar CEO von Google wird." Mitarbeiter beschreiben Pichai als freundlichen Menschen, der - anders als viele Chefs - tatsächlich zuhöre und nicht immer nur selbst rede. Er kümmere sich um die Belange seines eigenen Teams und sorge dafür, dass seine Mannschaft die vorgegebenen Ziele erreiche, ohne die anderen Teams bei der Arbeit zu stören. Er sei ein umsichtiger Mediator, der bei Konflikten - ja, auch in Silicon-Valley-Unternehmen menschelt es bisweilen - umsichtig und emphatisch reagiert und in der Lage sei, Streitereien zu lösen, ohne verbrannte Erde zu hinterlassen.

Pichai sagte vor einigen Monaten: "Was mich an der Suchmaschine von Google immer fasziniert hat, ist die Tatsache, dass sie für ein Kind irgendwo im Hinterland genau so funktioniert wie für einen Professor in Harvard oder Stanford. Beide brauchen nur einen Computer mit Internetzugang. Ich will, dass wir uns bei Google genau darum kümmern und nicht nur Produkte für bestimmte Bereiche entwickeln." Sein Ziel sei es, über Smartphones so viele Menschen wie möglich mit Informationen zu versorgen: "Ich sehe einen Weg, eines Tages fünf Milliarden Nutzer zu haben." Pichai ist offensichtlich jemand, der die Welt tatsächlich verbessern will - zumindest für seine Firma Google.

© SZ vom 12.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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