Datennetz an der Autobahn:Gut gebremst

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Teststrecke A9: Was ist mit Hilfe mobiler Datenübertragung während einer schnellen Fahrt im Personenwagen technisch inzwischen alles möglich? (Foto: Deutsche Telekom)

Hochgeschwindigkeits-Datennetz an der Autobahn: Bundesverkehrsminister Dobrindt testet die Infrastruktur, und die Konzerne sind begeistert - es geht um Sicherheit. Und mit Sicherheit um die Wachstumschancen.

Von Christoph Dorner, Pfaffenhofen

Dann steigt der Verkehrsminister auf der Beifahrerseite ein, lässt sich für die Fernsehkameras noch einmal demonstrativ die Bordtechnik erklären und fährt ab in Richtung Autobahn.

Es ist nur ein relativ simpler Bremstest, der an diesem Nachmittag anhand von zwei vernetzten Autos demonstriert werden soll. Dafür wurde im Kofferraum der beiden Autos ein von Continental und dem Fraunhofer Institut entwickelter Computer montiert, der robust und stromsparend genug für den Straßeneinsatz sein soll.

An der Frontscheibe ist ein tabletgroßes Display befestigt, dass den Fahrer in Zukunft mit noch mehr Daten versorgen soll: Informationen zu Gefahrensituationen, Stau, Wetter, Schlaglöchern. Besonders hübsch anzusehen sei das System noch nicht, sagt eine Frau vom Fraunhofer Institut. Aber man stehe ja noch ganz am Anfang der Entwicklung. Auch der Überholassistent, der vor einem Ausscheren auf eine Nebenspur warnen soll, sobald sich ein deutlich schnelleres Auto von hinten nähert, ist dank Hochleistungsinternet entlang der Autobahn fertig für den Markt.

Dafür findet der Anwendungstest der Sicherheitstechnik erstmals unter realen Bedingungen mitten auf der dreispurigen Autobahn A9 statt, die Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Anfang des Jahres zur digitalen Teststrecke erklärt hatte. Auf dem Autobahnabschnitt zwischen Nürnberg und München soll künftig nicht nur teil- und vollautomatisiertes Fahren getestet werden, sondern auch die Kommunikation der Autos untereinander. Und zwar mit Hilfe einer leistungsstarken digitalen Infrastruktur, die als offenes Forschungsfeld angelegt sein soll, an der sich branchenübergreifend Unternehmen beteiligen können. So wie es Continental, der Netzwerkspezialist Nokia und die Deutsche Telekom nun getan haben, weil sie die digitale Autobahn als Geschäftsfeld der Zukunft identifiziert haben.

"Der klassische Autofahrer wird bald ein Dinosaurier sein."

Während der Testpilot Dobrindt also abgerauscht ist, steht Telekom-Chef Tim Höttgesauf dem Parkplatz eines Tagungshotels in Pfaffenhofen und spricht markige Sprüche in die Kameras und Mikrofone. Die Telekom hat zuletzt gute Quartalszahlen vorgelegt, das macht selbstbewusst: "Der klassische Autofahrer wird bald ein Dinosaurier sein", sagt Höttges. Und: "Wir sind nicht in Konkurrenz mit Google." Für den Mobilfunkanbieter gilt das womöglich sogar. Und doch hat vor allem Bundesverkehrsminister Dobrindt im kalifornischen Technologiekonzern einen mächtigen Gegner für die deutsche Automobil- und Zuliefererindustrie ausgemacht.

Vor ein paar Tagen, da sei er in den USA wieder in einem selbstfahrenden Google-Auto gesessen, sagt Dobrindt. Und zwar nicht in diesem kleinen, hässlichen Ding, sondern in einem richtigen Fahrzeug, was für die deutschen Autohersteller wie eine Mahnung zu mehr Forschungselan klingen muss. Während Google aber den Mobilitätsmarkt betritt, um Daten zu sammeln, strebt Dobrindt den Aufbau einer offenen digitalen Infrastruktur an, die zum technischen Standard werden soll, um langfristig Wertschöpfung zu gewährleisten. Dass bei der ersten praktischen Vorstellung im Zusammenhang mit der digitalen Autobahn vor allem über Sicherheit gesprochen wird, ist fast schon rührend. Denn obwohl sich die Zahl der Verkehrstoten in den vergangenen zehn Jahren auf zuletzt 3377 im Jahr 2014 mehr als halbiert hat, scheinen Unternehmen wie die Telekom und Nokia in der Erweiterung der Mobilfunknetze - der neue Mobilfunkstandard 5G soll bald verfügbar sein - ihre gesellschaftliche Verantwortung zu entdecken. Dies betonen jedenfalls Tim Höttges und Kathrin Buvac, Chief Strategy Officer von Nokia.

Tatsächlich geht es bei kürzeren Latenzzeiten bei der Datenübertragung, die die Verkehrssicherheit im Zusammenhang mit dem autonom fahrenden Auto deutlich erhöhen sollen, auch um Wachstumsfelder für die Industrie.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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