Datenmenge:Wie man das Netz von Videos entlasten könnte

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Per Satellit lassen sich große Datenmengen übertragen, ohne die Datenleitungen zu belasten. Hier Empfänger auf einem Dach in Berlin. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Vor allem Bewegtbilder sind für den riesigen, wachsenden Datenverkehr verantwortlich. Ein Teil davon ließe sich auf Satelliten verlagern.

Von Helmut Martin-Jung, München

Es gibt viele Vergleiche, die vor Augen führen sollen, welche Unmengen an Daten die moderne Menschheit produziert. CD-Stapel, die bis an den Mond reichen und Ähnliches mehr - letztlich aber ist es auch schwierig, sich sogar solche Vergleiche vorzustellen. Klar ist: Die Datenmengen sind schlicht gigantisch, und ihr Wachstum ist es ebenso. Bis zum Jahr 2020, so schätzt der Technologiekonzern Dell EMC, wird die weltweit vorhandene Menge an Daten 44 Billionen Gigabytes betragen. In nur sechs Jahren würde sich damit die Menge an Daten verzehnfachen, die gespeichert werden müssen.

Das bringt auch die Datennetze an ihre Grenzen. Vor allem eines schlägt dabei besonders zu Buche: die Übertragung von Bewegtbildern. Wäre es da nicht sinnvoll, die Netze wenigstens von den Daten zu entlasten, die auch auf anderem Weg zu den Kunden gebracht werden können? Konkret: Muss normales Fernsehprogramm unbedingt über Internetleitungen ins Haus kommen oder gibt es andere Lösungen?

"Die Übertragung per Satellit ist eine natürliche Alternative", sagt der Deutschlandchef des Satellitenbetreibers SES Astra, Norbert Hölzle. "Die Datennetze werden hauptsächlich über Video ausgelastet", argumentiert er. Per Satellit jedoch lasse sich mit einem einzigen Datenstrom ganz Europa versorgen. Das Wachstum des Datenvolumens in den internetbasierten Datenleistungen gehe zu 80 bis 90 Prozent auf Bewegtbilder zurück, "die Netze könnten besser genutzt werden, wenn man hybrid arbeiten würde". Hybrid, das heißt: Lineares Fernsehen, also das herkömmliche TV-Programm, wie die Sender es liefern, würde über Satellit eingespeist. Die Internetleitungen blieben für andere Inhalte wie etwa soziale Netzwerke frei. Doch auch diese setzen mehr und mehr auf Bewegtbilder, und da es bei sozialen Netzwerken wie Facebook ohne die Interaktion des Nutzers nicht geht, bleiben als Transportweg wieder nur die IP-Netze. Außerdem werden soziale Netzwerke zunehmend auf mobilen Geräten genutzt, weniger zu Hause, wo möglicherweise eine Satellitenschüssel auf dem Dach angebracht ist.

So unwahrscheinlich ist das nicht: Mehr als die Hälfte der Haushalte in Deutschland empfangen Fernsehen mittlerweile über Satellit, oft ohne es zu wissen. Denn moderne Sat-Anlagen etwa auf großen Mehrfamilienhäusern können bis zu 2000 Einzelanschlüsse versorgen.

Doch die Realität der Fernsehgewohnheit ist ja noch ein Stück komplizierter. Denn inzwischen gucken viele nicht bloß die kurzen und relativ schwach aufgelösten Videos auf Facebook oder Twitter. Sie schauen außer bei Livesendungen nicht mehr zwingend, was die Sender gerade so anbieten, sondern haben Dienste wie Netflix, Amazon Prime Video oder Sky abonniert. Die aber laufen über das Internet und belasten damit die Netze.

Das neue Digitalfernsehen über Antenne könnte dem Satelliten Konkurrenz machen

Doch wie lässt sich das abfedern? Zum einen stellen die Internet-Video-Anbieter bereits sicher, dass sie häufig gefragte Inhalte schon mal während verkehrsarmer Zeiten auf den Festplatten der Receiver speichern, die bei den Zuschauern stehen. Wenn der Nutzer einen Film abruft, muss überhaupt nichts mehr geladen werden, das Video ist einfach schon da. Die Anbieter setzen dafür auch Algorithmen ein, mit denen sie die Wahrscheinlichkeit berechnen, welchen Film man möglicherweise als nächsten sehen will. Aber auch mit Satellitentechnik ließe sich hier helfen. So könnten die Internetanbieter, wie sie das zum Teil auch schon machen, auf ihre lokalen Verteilerstationen Satellitenempfänger montieren. Auf diese Weise können sie Bewegtbildinhalte via Satellit übertragen und mehr Kapazität in ihren Leitungsnetzen freibekommen.

Das ließe sich theoretisch auch mit Anbietern wie Youtube so lösen - die Satellitenbetreiber sprechen bereits mit der Videoplattform, die zu Alphabet/Google gehört. Andere große Internetanbieter nutzen bereits Satellitenübertragung, zum Beispiel in Regionen, in denen ihre eigenen Leitungen zu schwach wären, um dort Internetfernsehen über die Internetleitung anzubieten.

Konkurrenz könnte SES Astra allerdings durch das neue Antennenfernsehen DVB-T 2 entstehen. Doch Hölzle fürchtet sich davor nicht, denn um dort die Privatsender sehen zu können, ist eine Monatsgebühr von knapp sechs Euro fällig. Wie viele Zuschauer bereit sein werden, das zu bezahlen, müsse man sehen.

Eine andere Neuerung dagegen macht den Satellitenbetreibern Mut: Das geplante superscharfe Fernsehen nach dem Standard UHD frisst ein Vielfaches mehr an Kapazität in den Leitungen, sagt Hölzle, "UHD wird ohne Satellit in der Breite nicht gehen." In vielen Regionen seien die Netze dafür noch gar nicht entsprechend ausgebaut.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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