Cyber-Attacken:Räuberische Spione

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Chinesische Hacker holten sich Insiderinformationen an der Quelle: Sie erbeuteten Daten von Anwaltskanzleien und nutzten sie für Aktiendeals.

Von Christoph Giesen, Berlin

Mit Cyber-Attacken haben inzwischen etliche Konzerne zu kämpfen. Zuletzt trug die IT-Abteilung von Thyssen-Krupp eine monatelange Schlacht mit digitalen Eindringlingen aus. Die Hacker hatten es offenbar auf Baupläne und Firmengeheimnisse abgesehen. Doch nicht nur die Konzerne selbst werden angegriffen, sondern auch ihre Berater: Kommunikatoren, Rechnungsprüfer oder Rechtsanwaltskanzleien, wie nun ein Fall in den Vereinigten Staaten zeigt.

Laut Anklage der Staatsanwaltschaft in New York kauften sich drei chinesische Investoren bei mindestens fünf Firmen ein, jeweils kurz bevor ein Übernahmeangebot vorgelegt wurde und der Kurs nach oben schnellte. Profite von vier Millionen Dollar sollen sie so 2014 und 2015 gemacht haben. Der Trick: Sie hackten die Server von Rechtsanwaltskanzleien und wussten vorab, welche Deals verhandelt werden.

Ein Trio aus China machte vier Millionen Dollar Gewinn. Dann kamen ihm Ermittler auf die Spur

Nachdem sie die Daten einer Kanzlei ausgekundschaftet hatten, investierten sie zum Beispiel Mitte August 2014 beim Bio-Tech-Unternehmen Intermune. Als knapp zwei Wochen später der Verkauf an den Pharmakonzern Roche bekanntgeben wurde, betrugen die Gewinne nach Berechnungen der Staatsanwaltschaft etwa 380 000 Dollar.

Im Februar 2015 dann luden die drei Angeschuldigten 2,8 Gigabyte an Daten einer Wall-Street-Kanzlei herunter. Zwei Tage dauerte das. Die Anwälte berieten damals den Chip-Hersteller Intel, der den Wettbewerber Altera übernehmen wollte. Eine Woche nach dem Absaugen der Daten kaufte das Trio Altera-Papiere. Mehr als 20 Transaktionen folgten, zuletzt hielten sie mehr als 210 000 Altera-Aktien. Als Ende März 2015 in der Wirtschaftspresse das erste Mal über eine mögliche Übernahme berichtet wurde, stieg der Altera-Kurs um 26 Prozent - satte neun Dollar pro Aktie. Wenige Tage später stießen die drei Chinesen ihr Paket ab und sicherten sich einen Gewinn von 1,4 Millionen Dollar.

Einer der Angeschuldigten wurde nun am Weihnachtstag in Hongkong verhaftet, er soll in die USA ausgeliefert werden. Er stammt aus Macau, genauso wie einer seiner beiden Komplizen. Der dritte im Bunde kommt aus der südchinesischen Millionenstadt Changsha. Er gilt als der Kopf der Bande, die beiden anderen hatten für seine Roboterfirma gearbeitet.

Das Vorgehen des Trios erinnert an eine Gruppe von ukrainischen Hackern, die im vergangenen Jahr hochgenommen wurde. Sie verschaffte sich Zugang zu Servern von Nachrichtenplattformen, die Pressemitteilungen versenden. Die Hacker luden insgesamt rund 150 000 noch unveröffentlichte Mitteilungen, in denen Konzerne etwa ihre Quartalsergebnisse oder bevorstehende Übernahmen verkündeten, herunter, analysierten sie und kauften dementsprechend Aktien. Nach der Veröffentlichung der Mitteilungen stießen sie die Papiere wieder ab und strichen illegal Kursgewinne von etwa 30 Millionen Dollar ein.

Was die Ermittler letztlich auf die Spur der drei Chinesen brachte, dazu schweigt die Staatsanwaltschaft. Vielleicht war es die Gier. Nach dem Intel-Deal wollten sie eine weitere New Yorker Kanzlei hacken. Laut Anklageschrift nutzten sie dazu die Login-Daten eines Mitarbeiters, die sie sich "unrechtmäßig" verschafft hatten. Anschließend installierten sie Schadsoftware und sicherten insgesamt 7,5 Gigabyte an Daten. Diesen Dokumenten konnten sie entnehmen, dass die Kanzlei den Frankiermaschinenhersteller Pitney Bowes beriet, der gerade ein Angebot für den Konkurrenten Borderfree vorbereitete. Folglich deckten sich die drei Angeschuldigten mit Borderfree-Aktien ein. 18 000 Stück an einem Tag, 25 Prozent des Handels. Eine Woche später legten sie nach, diesmal 25 000 Stück - neun Prozent aller an diesem Tag verkauften Borderfree-Papiere. Das fällt auf. Einen Tag später wurden die Übernahmeabsichten bekannt. Die Borderfree-Scheine legten um sieben Dollar zu - ein Plus von 105 Prozent. Zu viel Glück auf einmal.

© SZ vom 30.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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