Crash-Vorhersage:Unheimliche Kurven

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Auf dem rechten Bild ist Beängstigendes zu erkennen: Der Dow Jones von 1928-1929 ähnelt dem aktuellen Kursverlauf seit 2012. Wenn man den Dow Jones der Jahre 1920 bis 1930 über den Kursverlauf des Dow seit 2007 legt (links), ergibt sich ein anderes Bild. Zum Vergrößern klicken. (Foto: SZ-Grafik)

Steht der große Börsencrash bevor? Wiederholt sich die Geschichte wirklich? Eine Grafik scheint nur diesen Schluss zuzulassen. Doch wer genauer hinsieht, kann auch ganz andere Vorhersagen treffen.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Es hat seinen Reiz, über Parallelen nachzudenken: Wiederholt sich die Geschichte? Zuletzt fragten Historiker, inwieweit sich die Situation im Europa von 1914 mit der des Jahres 2014 vergleichen ließe. Auch an den Finanzmärkten pflegt man die Tradition, nach Mustern zu suchen, immer gepaart mit der Frage, ob man mit Lehren aus der Vergangenheit geldwerte Vorteile für die Zukunft erwirtschaften kann.

Die Geschichte der Börse lässt sich auf vielerlei Art erzählen. Man kann Börsenhändler über ihre Erfahrungen mit der Spekulation berichten lassen. So erfährt man, wie es ist, viel Geld zu verdienen und gleich wieder zu verlieren. Jim Rogers, der ehemalige Geschäftspartner von George Soros, hat darüber berichtet. Man kann auch in Büchern der Ökonomen John Maynard Keynes und John Kenneth Galbraith nachlesen. Beide haben genauso brillant wie amüsant über die Fährnisse des Börsengeschäfts philosophiert.

Man kann die Geschichte der Börse aber auch an Kurven ablesen - solchen, wie sie in den obigen Grafiken abgebildet sind. Auf dem einen Bild (rechts) ist Beängstigendes zu erkennen. Der US-Aktienindex Dow Jones der Jahre 1928-1929 ähnelt frappierend dem aktuellen Kursverlauf seit 2012. Wenn sich die Geschichte wiederholen würde, dann müsste es sehr bald abwärts gehen am amerikanischen und damit auch an allen anderen Börsen dieser Welt.

Kommt es wie damals? Droht der nächste Crash?

Das Bild der beiden Kurven ist sehr suggestiv. Wir leben zwar in ganz anderen Zeiten als 1929, doch die Reaktionsmuster an den Börsen haben sich wenig verändert. Menschen geraten damals wie heute in bestimmten Situationen in Panik - oder in Euphorie. Ob sich diese Situationen frühzeitig am Kursverlauf erkennen lassen - dieser Frage gehen einige Spezialisten an der Börse nach.

Verschiebt man das Zeitfenster, ergeben sich andere Ergebnisse

Manche Menschen lesen aus Handflächen, andere wiederum aus Karten, die sogenannten technischen Analysten lesen aus Preiskurven. Mancher mag beim Gedanken an diese Berufssparte die Hände überm Kopf zusammenschlagen, doch angemerkt sei, dass auch die Mathematik die hohe Kunst der Kurvendiskussion pflegt.

Die Preiskurven der Börsen drücken nichts anderes als Käufe und Verkäufe von Aktien aus. Fällt der Kurs, haben mehr Leute verkauft als gekauft - Gleiches gilt umgekehrt. Es ist also gar nicht so mystisch. "Es gibt Regelmäßigkeiten und damit Muster an der Börse, die sich wiederholen", sagt Wieland Staud, Geschäftsführer von Staud Research. Es fragt sich nun aber, ob das Muster von 1929 die Entwicklung der nächsten Jahre beschreibt.

"Parallelen kommen und gehen, der Aktiencrash von 1987 sah auch ähnlich aus wie der von 1929, dennoch verlief die Kursentwicklung danach völlig unterschiedlich", sagt Dimitri Speck, Chefanalyst des Börsendienstes Sicheres Geld. "Prozentual war der damalige Anstieg fast dreimal so stark wie der heutige. Folgt der Dow diesem Muster, sollte auch der Rückgang entsprechend geringer ausfallen." Zudem sei der Rückgang des Dow Jones vor mehr als 80 Jahren mit der deflationären Wirtschaftskrise zusammengefallen, ein Szenario, das die Zentralbanken heute durch massives Gelddrucken verhindern.

Es ist also Vorsicht geboten, wenn der visuelle Eindruck so überzeugend wirkt: Sobald man das Zeitfenster verschiebt, gibt es andere Ergebnisse. Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest hat sich auf die Suche nach Mustern gemacht, die genau das Gegenteil nahelegen würden: nämlich einen weiteren kräftigen Aufschwung an den Börsen. Er ist fündig geworden. Wenn man den Dow Jones der Jahre 1920 bis 1930 über den Kursverlauf des Dow seit 2007 legt (siehe Grafik links), dann ergibt sich ein ganz anderes Bild: Würde sich diese Börsengeschichte wiederholen, so käme es an den Aktienmärkten noch zu hohen Gewinnen, zumindest bis März 2017.

Es ist vertrackt. Je länger man sich historische Zeittafeln anschaut, desto häufiger erkennt man Ähnlichkeiten, die fortgeschrieben mal einen Crash, mal einen Boom prognostizieren. "Man braucht da schon mehr als eine Stichprobe, um wirklich zu glauben, dass ein solcher Chart aussagekräftig ist", sagt Staud.

© SZ vom 20.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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