Conwert-Übernahme:Auf die Lage kommt es an

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Vonovia will die nächste Immobilienfirma kaufen, samt 20.000 Wohnungen hierzulande. Damit hat Deutschlands größter Vermieter in drei Jahren seine Größe verdoppelt.

Von Benedikt Müller, München

Rolf Buch kann es nicht lassen. Der Manager, 51, ist ohnehin schon zum größten Vermieter in Deutschland aufgestiegen, und zwar mit Abstand. Aus den Wohnungsunternehmen Deutsche Annington, Gagfah und einigen regionalen Vermietern hat Buch den Dax-Konzern Vonovia geformt, dem etwa 340 000 Mietwohnungen in hiesigen Städten gehören. Damit ist das Unternehmen heute fast doppelt so groß wie zu Buchs Antritt im April 2013; den Börsenwert hat der frühere Bertelsmann-Manager glatt verdoppelt. Doch damit nicht genug.

Am Montagvormittag meldet sich Buch plötzlich "aus der wunderschönen Stadt Wien" zu Wort. Dort hat er am Wochenende die nächste Fusion auf den Weg gebracht: Für 2,9 Milliarden Euro will Vonovia den österreichischen Immobilienkonzern Conwert übernehmen, der mit gut 20 000 Wohnungen vor allem in Deutschland aktiv ist. Hinzu kommen noch 4100 Wohnungen und Gewerbeeinheiten, die Conwert in Österreich vermietet. Buchs Konzern Vonovia dagegen besitzt bislang ausschließlich Wohnimmobilien in Deutschland.

Doch es kommt wie immer auf die Lage an. Conwert vermietet alleine 4400 Wohnungen in Berlin. Dort steigen Immobilienpreise und Mieten besonders kräftig, seitdem die Hauptstadt mit ihren jungen Unternehmen viel mehr Menschen anzieht, als dort neue Wohnungen gebaut werden. Weitere 4500 Einheiten besitzt Conwert in Leipzig, einer Hochschulstadt, von der Rolf Buch nach eigenen Angaben "ausgesprochen begeistert" ist ob der steigenden Mieten, auf die er dort hoffen darf. Die restlichen Bestände verteilen sich auf Großstädte in Ostdeutschland und Nordrhein-Westfalen; in vielen von ihnen besitzt Vonovia bereits weitere Mietshäuser.

Das freut Buch, denn dann lassen sich Synergien heben: Gelingt die Übernahme, könnte Vonovia seine eigene Handwerker-Organisation auch in den bisherigen Conwert-Beständen einsetzen; vom Kabelfernsehen bis zum Hausmeister ließen sich weitere Kosten einsparen. Zu einem Konzern vereint, könnten Vonovia und Conwert jährlich zwölf Millionen Euro mehr Gewinn einfahren als alleine, rechnet Buch vor. Das ist zwar nicht besonders viel, sagt Georg Kanders, Analyst beim Bankhaus Lampe. "Doch bei diesem Übernahmeangebot stehen weniger die Synergien im Vordergrund, als vielmehr die stärkere Marktposition, die Vonovia vor allem in Berlin und Leipzig erhalten würde."

Mieterschützer sehen Vonovias steigenden Marktanteil dagegen kritisch. "Jede Form von weiterer Konzentration ist für den Wohnungsmarkt nicht förderlich", sagt Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes. Denn mit jeder Übernahme habe es Deutschlands größter Vermietungskonzern noch leichter, die Mieten in den Städten zu erhöhen und politischen Einfluss zu nehmen.

Doch ob Vonovia nun Conwert übernehmen wird oder nicht, entscheiden nicht die Mieter, sondern die Aktionäre des Wiener Konzerns. Bis Mitte Dezember dürfen die Investoren wählen, ob sie sich den Kaufpreis bar oder in Vonovia-Aktien auszahlen lassen - oder ob sie die Offerte aus Deutschland ablehnen. Vonovia hat sich bereits die Zustimmung des größten Aktionärs Adler Real Estate gesichert, der 26 Prozent an Conwert hält. Analyst Kanders geht deshalb davon aus, dass die Fusion gelingen dürfte, zumal auch der Aufsichtsrat des Wiener Unternehmens die Übernahme befürwortet.

Bemerkenswert ist das deshalb, weil Vonovia zuletzt versucht hatte, seinen größten hiesigen Konkurrenten Deutsche Wohnen gegen dessen Willen zu übernehmen. Doch das Berliner Unternehmen wehrte sich gegen Buchs Offerte. Die 14 Milliarden Euro schwere Übernahme scheiterte im Frühjahr; es wäre die größte Fusion in der Geschichte der deutschen Immobilienwirtschaft gewesen.

So sucht Buch nun neue Wege, die Wachstumsgeschichte von Vonovia fortzuschreiben. Doch werden auf dem hiesigen Immobilienmarkt zurzeit nur wenige klassische Wohnungspakete, also Grundstücke mit mehreren Mietshäusern, angeboten. Denn Investoren sind dieser Tage froh, wenn sie ihr Geld in Immobilien angelegt haben und keine alternativen Anlagen suchen müssen, erläutert Oliver Beyer, Fachanwalt der Kanzlei Simmons & Simmons. "Deshalb wächst ein börsennotierter Vermieter wie Vonovia vor allem, indem er andere Immobilienkonzerne übernimmt." Darüber hinaus hat Rolf Buch angekündigt, Vonovia wolle mehrere Hundert neue Wohnungen auf seinen bestehenden Grundstücken bauen.

An der Börse trifft das Übernahme-Angebot am Montag auf gemischte Reaktionen. Die Conwert-Aktie erreicht den höchsten Stand seit mehr als neun Jahren. Auch Conwerts größter Aktionär Adler Real Estate gewinnt im S-Dax knapp fünf Prozent an Wert. Für die Vonovia-Aktie geht es dagegen zwei Prozent nach unten. Dem diesjährigen Erfolg der Immobilien-Werte tut das allerdings keinen Abbruch. Während der gesamte Dax seit Jahresbeginn - Stand jetzt - auf der Stelle tritt, hat das Vonovia-Papier gut 23 Prozent an Börsenwert gewonnen.

© SZ vom 06.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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