Computer in der Schule:Lernen im goldenen Käfig

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Kinder sollen digitale Kenntnisse erwerben. Die IT-Konzerne wollen ihre Systeme in die Schulen bringen.

Von Helmut Martin-Jung, München

Die Welt redet von Digitalisierung, von künstlicher Intelligenz und Robotern. Nur so könnten Hochlohnländer wie Deutschland ihre führende Position auch in Zukunft behalten. In den Schulen aber passiert dazu noch nicht allzu viel. Doch das wird nicht so bleiben, und deshalb bringen sich die Großen der Branche in Stellung. Nahezu jedes große Unternehmen fördert irgendein Projekt. Laptops hier, Tablets dort - oder tut es womöglich auch das Smartphone? Oder ist es am besten, mit einem Bastelcomputer wie dem Calliope mini zu arbeiten? Einem Gerät, das aussieht wie die elektronische Version eines Seesterns? Schulbuchhersteller Cornelsen vertreibt das Produkt einer Berliner Firma.

Auch der Software-Konzern Microsoft will da nicht abseits stehen. Schon seit vielen Jahren stattet das Unternehmen Schulen auch in Deutschland aus, für Schüler und Studenten gibt es Software verbilligt oder sogar gratis. Doch im Konkurrenzkampf gegen Apple, das mit seinen Tablets und Laptops den Bildungssektor gezielt angeht, war das offenbar zu wenig. Vor kurzem hat Microsoft einen Laptop vorgestellt, der mit Schülern und Studenten im Blick entwickelt wurde. Mit Preisen von 1150 Euro an aufwärts werden ihn aber wohl nur Kinder betuchter Eltern im Ranzen haben.

Das wichtigere neue Projekt ist daher Windows S, eine spezielle Version des Microsoft-PC-Betriebssystems. Bekannte PC-Hersteller wie Acer, Dell, Fujitsu oder HP haben bereits angekündigt, dass sie Laptops mit diesem System anbieten wollen, und zwar schon von knapp 200 Euro an.

Windows S bietet zwar auf der einen Seite Funktionen an, die sonst nur die teurere Pro-Variante von Windows 10 beherrscht. Aber es enthält auch Einschränkungen: Als Standard-Browser ist Microsofts Browser Edge voreingestellt, und das lässt sich auch nicht ändern. Man kann zwar andere Browser installieren, doch klickt man etwa in einer Mail auf einen Link, öffnet sich stets Edge. Auch bei der Suchmaschine ist man auf Microsofts Bing festgelegt.

Der größte Unterschied zu normalen Windows-Versionen aber ist, dass sich nur solche Programme installieren lassen, die Microsoft selbst in seinem digitalen Ladengeschäft führt. Programmen aus anderen Quellen wird die Installation verweigert.

Microsoft begründet das Vorgehen mit Sicherheitsargumenten. Programme aus Microsofts Store seien auf schädliche Fracht wie Trojaner oder Viren geprüft. Mindestens ebenso wichtig dürfte aber auch der Gedanke gewesen sein, dass man auf diese Weise die Nutzer viel leichter bei den eigenen Produkten halten kann. Denn von den meisten Programmen gibt es keine Store-Versionen.

Peter Ganten, Geschäftsführer des Softwareunternehmens Univention und Vorsitzender der Open Source Business Alliance, hält Microsofts Schüler-Betriebssystem für "eine Gängelung aus vergangen geglaubten Zeiten, die in die Abhängigkeit führt". Microsoft werde so zum "Gatekeeper für Geräte, Software und Inhalte, die im schulischen Bereich genutzt werden können". Open-Source-Lösungen dagegen böten Nutzern und Administratoren "weitgehende Hoheit über ihre Daten und Systeme". Der Versuch, die Nutzer an ein System zu binden, findet sich auch bei anderen Herstellern. Apple etwa erschwert schon bei normalen Nutzern das Laden von Apps außerhalb des eigenen Stores.

Die Frage aber ist: Kommt es auf das System oder die Hardware überhaupt an? Das Wichtigste an der Technik sei, dass sie funktionieren müsse - zu diesem Schluss kamen schon vor zehn Jahren die Autorinnen der abschließenden Studie zum Projekt "1000mal1000: Notebooks im Schulranzen" im Auftrag des Bundesbildungsministeriums. Das gilt demnach sowohl für die Hardware - die Experten raten dringend zu sehr robusten Geräten, da andere den harten Schulalltag nicht lange überleben würden. Zweite, wichtige Grundvoraussetzung: Die Netzanbindung. Wenn das Wlan ständig hakt, lassen sich Laptops und Tablets kaum vernünftig nutzen.

Jörg Dräger, bei der Bertelsmann-Stiftung für Bildung zuständig, geht sogar noch einen Schritt weiter. "Das Medium ist zweitrangig", sagt er. Guten Unterricht könne man auch mit Schulbüchern und Heften machen. Wichtig sei es, die Schüler individuell zu fördern.

Das ist Wasser auf die Mühlen der Gegner von Laptop-Schulen, zu denen etwa der Hirnforscher Manfred Spitzer gehört. Er hält iPads im Kindergarten für "eine Verdummungsmaßnahme", fordert, Kinder sollten mit der Hand schreiben, erst einmal die analoge Welt erkunden und sich dann der digitalen zuwenden. Auch wer die Dinge weniger schwarz sieht, muss zugeben: Es mangelt an Lehrkräften, die die neue Technik beherrschen. Und die Ausstattung der Schulen kostet viel Geld, sowohl bei der Anschaffung als auch bei den Folgekosten.

© SZ vom 05.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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