Comcast will Disney haben:Beben in der Unterhaltungsindustrie

Lesezeit: 2 min

Der größte US-Kabelfernsehbetreiber Comcast will den Walt Disney-Konzern für 66 Milliarden Dollar übernehmen. Doch Disney-Chef Michael Eisner lehnt die Offerte ab.

Von Andreas Oldag

"Dies ist die einmalige Chance für alle Aktionäre von Comcast und Disney, einen neuen Marktführer in der Unterhaltungs- und Kommunikationsbranche zu schaffen", erklärte Comcast-Präsident Brian Roberts in New York. Disney-Chef Michael Eisner lehnt die Verschmelzung jedoch ab.

Offenbar haben Roberts und Eisner bereits Anfang der Woche Gespräche über einen Zusammenschluss geführt, die aber vom Disney-Chef abgebrochen worden waren.

Neue Konsolidierungsphase...

Daraufhin hat Roberts ein öffentliches Kaufangebot bekannt gegeben, das nun von den Aktionären gebilligt werden muss. Analysten an der Wall Street sprachen von einer neuen Konsolidierungsphase in der Branche.

In dem von Comcast gebotenen Betrag sind allerdings 11,9 Milliarden Dollar Schulden von Disney enthalten. Je Disney-Aktie will Comcast 0,78 eigene Aktien anbieten. Das Angebot entspricht einem zehnprozentigen Preisaufschlag auf den Schlusskurs der Disney-Aktie vom Dienstag.

Nach einer Fusion würden die Disney-Aktionäre 42 Prozent der neuen Gesellschaft halten. Die Disney-Aktie machte nach Bekanntgabe des Angebots einen Sprung von rund 15 Prozent.

Zum Disney-Konzern gehören die gleichnamigen Filmstudios, der Fernsehsender ABC, der Sportkanal ESPN und die Disney-Freizeitparks. Comcast zählt 21 Millionen Kabel-TV-Kunden. Stephen Burke, der Chef der Comcast-Kabel-Sparte, war bis 1998 bei Disney in leitenden Funktionen.

Wie aus einem Brief von Roberts an Disney-Chef Eisner hervorgeht, verspricht sich der Comcast-Vorstandsvorsitzende von einem Zusammenschluss eine bessere Positionierung am Markt.

Gemeinsam würde man der größte Kabelnetzbetreiber werden, der zugleich Filme und andere Unterhaltungsprodukte anbieten könnte, so Roberts. Er zeigte sich zudem zuversichtlich, dass eine Fusion von den amerikanischen Kartellbehörden genehmigt würde.

Analysten an der Wall Street bewerteten einen Zusammenschluss zwischen Comcast und Disney als Kampfansage an den bislang führenden amerikanischen Medienkonzern Time Warner, der 2003 einen Umsatz von rund 39,6 Milliarden Dollar erwirtschaftete und künftig auf dem zweiten Platz rangieren würde. "Das Übernahmeangebot von Comcast ist sinnvoll.

...aber nicht unbedingt in Deutschland

Es wird sehr schwierig für Disney-Chef Eisner, sich einer Fusion in den Weg zu stellen", meinte Analystin Angela Kohlet von Federated Investment Management.

Branchenexperten erwarten jedoch, dass Comcast das Angebot noch erhöhen muss, um die Zustimmung der Disney-Aktionäre zu gewinnen. "Es ist ganz offenkundig ein großes Geschäft und ziemlich überraschend", kommentierte Timothy Ghriskey, Portfolio-Manager bei Ghriskey Capital Partners, die Ankündigung.

"Ich glaube nicht, dass es leicht wird für Comcast", sagte Rick Meckler von Liberty View Capital Management. Die Offerte werde aber zumindest die internen Diskussionen bei Disney zur Konzernstrategie anheizen. "Es zeigt, dass wir in eine neue Phase der Fusionen und Übernahmen eintreten", sagte Meckler.

Auf dem deutschen Markt werde es Experten zufolge keine weitere Konzentration geben. "In Deutschland gibt es nicht sehr viele Möglichkeiten für Fusionen oder Übernahmen", erklärte Florian Leinauer von Helaba Trust. "Im TV-Bereich stehen sich zwei große Blöcke gegenüber, die nicht fusionieren können", ergänzte er mit Blick auf die beiden großen deutschen privaten Sendergruppen ProSiebenSat.1 und die RTL Group.

Der Disney-Konzern steckt seit Jahren in einer Krise. Zu kämpfen hat Disney vor allem mit internem Streit, der das Micky-Maus-Imperium ständig in die Schlagzeilen brachte. Anfang Dezember verließ Roy Disney, der Neffe des Konzerngründers Walt Disney, das Unternehmen im Streit.

Seitdem versucht Roy Disney Eisner durch eine öffentliche Kampagne nach fast 20 Jahren an der Spitze des Unternehmens zum Rücktritt zu zwingen. Ein schwerer Rückschlag war für Disney auch die jüngst aufgekündigte Partnerschaft mit dem Trickfilm-Studio Pixar, das dem Konzern unter anderem Kino-Kassenschlager wie "Findet Nemo" brachte.

© SZ vom 12.02.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: