Chiquita:Bananen auf dem Müll

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Händler wie Chiquita, Del Monte und Dole drücken die Preise für die wichtigste Exportfrucht Costa Ricas und werden dadurch immer mächtiger - die EU hilft mit.

Von Michael Bauchmüller

(SZ vom 06.12.03) - Es ist nicht so, dass der traurige Mann mit den schlaffen Schultern unbedingt zu den Verlierern gehört. Rafael Hidalgo ist der Chef von La Estrella, einer Bananenplantage irgendwo in der costaricanischen Ebene, gut hundert Kilometer nordöstlich der Hauptstadt San José.

Die Bananeros in Mittelamerika leiden unter den Gesetzen des Welthandels. (Foto: Foto: AP)

Einer, dem es eigentlich recht gut geht, gemessen an der Knochenarbeit, die andere in dieser Plantage verrichten müssen. Hidalgo ist trotzdem nicht glücklich. "Alles ist sehr schwierig", sagt er, lustlos durch die Halle schlurfend. "Der Markt ist voll mit Bananen. Alle bauen an, der Preis sinkt und sinkt." Nichts zu machen? "Nichts zu machen", sagt Hidalgo.

Gleich nebenan ziehen Arbeiter in knöchelhohen Gummistiefeln zentnerschwere Bananenstauden durch ein endloses System von hängenden Schienen. Die Luft liegt schwer und feucht wie ein warmer Nebel über allem, jede Bewegung kostet Überwindung. Irgendwo in der Ferne dudelt ein Radio.

500.000 Kisten pro Jahr

170 Arbeiter hat La Estrella, 200 Hektar Bananen. Jährlich verlassen rund 500.000 Kisten Bananen die Plantage, die meisten davon mit Chiquita-Aufklebern. 30.000 Kisten landen in diesem Jahr auf dem Müll, weil sie sich nicht verkaufen.

Bananen auf dem Müll - das ist neu für Costa Rica. Jahrzehntelang hat das Land von seinen Bananenexporten gelebt. Noch heute stammt jede sechste Banane in der EU von hier. Jeder hundertste Quadratmeter des Landes trägt Bananen. Aber sie werfen nicht mehr viel ab.

Ausgerechnet Billig-Konkurrenz macht dem Entwicklungsland Costa Rica zu schaffen. Wie eine berauschte Maschine werfen Plantagen in aller Welt immer weiter Bananen auf den Markt, billige Bananen aus Kamerun, Equador, Kolumbien oder den Philippinen. Jeder, so viel er nur kann: Keiner spricht mit dem anderen, jeder kämpft gegen jeden.

Wären die Bananenländer die Europäische Union, hätten sie schon eine Methode gefunden, die Preise zu stabilisieren. Sie würden Bananenberge aufhäufen, die sie irgendwo abfackeln oder kompostieren, im großen Stil. Aber am Bananenmarkt haben nur wenige die Kontrolle, und das sind die Händler. Denen allerdings sind niedrige Preise gerade recht.

"Wenn du keinen Vertrag mit Chiquita, Dole und Del Monte hast, kannst du einpacken", sagt Martin Zuniga, Direktor für globale Bananenpolitik im halbstaatlichen Bananenverband Corbana.

Meterlange Trucks

Natürlich haben die 180 Bananenplantagen Costa Ricas solche Verträge. 94 Prozent ihrer Exporte werden über die großen Handelsmultis abgewickelt. Deren meterlange Trucks bringen die Bananen in den Großhafen Limon, von dort gehen sie in die Welt.

Costa Rica verdient sein Geld mit den Bananenkonsumenten der USA und Europas, aber die Überweisung kommt von den Handelskonzernen, einen anderen Weg gibt es nicht. Doch die Zahlungen werden immer dürftiger, klagt Zuniga. "Die großen Supermärkte in England und Deutschland liefern sich einen Preiswettbewerb, den letztlich wir ausbaden müssen."

Zollfrei an die Obsttheke

Zu allem Überfluss zementiert ein fein ziseliertes EU-Handelsrecht, Ergebnis jahrelanger Bananen-Kriege mit den USA und Lateinamerika, die bestehenden Machtverhältnisse. Danach haben Bananen aus EU-Ländern und aus den ärmsten Ländern des afrikanisch-pazifischen-karibischen Raumes, den so genannten AKP-Ländern, in Europa Vorrang - eine große Menge von Bananen gelangt dadurch zollfrei an die Obsttheke.

Die restlichen Bananeneinfuhren stammen überwiegend aus Zentralamerika, sind aber strengen Reglements unterworfen: Nicht mehr als 2,65 Millionen Tonnen dürfen jährlich von dort aus in die EU eingeführt werden, und das auch nur mit einem Zoll von rund 75 Euro je Tonne.

Begehrte Importlizenzen

Aber nicht jeder darf mit Bananen handeln: Nur, wer schon seit mindestens drei Jahren im Geschäft ist, kann von der EU eine der begehrten Importlizenzen erhalten, ohne die keine einzige Banane auf den europäischen Markt gelangt. Newcomer bleiben außen vor. Vier von fünf dieser Lizenzen gehören den Handelsmultis.

"Dieses System lässt nicht zu, dass wir uns unabhängig machen", sagt Zuniga, "keine Chance."

Dabei würde Costa Rica so gerne sein eigenes Ding drehen. Einen "added value", einen Zusatznutzen für Bananenesser wollen die Costaricaner gerne mit ihren Bananen verkaufen.

Nach allen Skandalen um unerträgliche Arbeitsbedingungen, Verseuchung von Böden und eine zigfach gespritzte Chemiefrucht möchten sie die "sauberere Banane" verkaufen, grown in Costa Rica.

Banane ist nicht Banane

Und so ziehen die Bananen-Manager mit Overhead-Folien durch Europa, mit denen sie ihre herausragenden Errungenschaften in Bildung, Gesundheits- oder Umweltschutz auf Leinwände strahlen. Botschaft: Banane ist nicht Banane. Kein leichtes Unterfangen bei einem Produkt, das von Verbrauchern vor allem als süßlich, gelb und mäßig gekrümmt wahrgenommen wird.

Den ersten Affront im neuen Bananen-Kampf haben die Costaricaner sich kürzlich geleistet. Weil die Käufer erst lernen sollen, dass die costaricanische eben die bessere Banane ist, hat die Bananen-Vereinigung Corbana einige Monate lang das eigene Logo auf Bananen geheftet - den bunten Tukan als Sympathieträger für Costa Rica, gleich neben den kleinen runden Sticker der jeweiligen Handelsgesellschaft.

Das gab Ärger - so eine neue Marke sehen die Handelsmultis gar nicht gerne. Nun verzichtet Corbana auf den Zusatz-Sticker, angeblich aus Kostengründen.

An einer anderen Front kämpft Rolando Saborio. In Genf, da wo die Welthandelsorganisation WTO über den Abbau von Zöllen verhandelt, werkelt Costa Ricas smarter Handelsbeauftragter mit am Gerüst des Welthandels.

Scheinheiliges Gerede

"Die Europäer spielen mit den Nöten der Welt", sagt Saborio - was den armen AKP-Staaten nutze, schade einem ebenfalls nicht reichen Land wie Costa Rica. "Wir fragen uns, warum die EU durch die Welt geht und von Entwicklungshilfe redet", sagt Saborio, "wenn sie gleichzeitig bestimmte Entwicklungsländer zu Verlierern ihres Handelsregimes macht."

Die Importlizenzen dienten nur dazu, französische und britische Importeure reich zu machen, unabhängig von den Folgen. Sagt Saborio.

Von 2006 an soll alles anders werden, und schon wieder sind die Bananeros unglücklich. Dann sollen die bisherigen Importquoten wegfallen. Nur noch Zölle, unterschiedlich hoch je nach Herkunftsregion, sollen Europas Märkte beschützen.

Theoretisch könnte Costa Rica dadurch endlich selbst Bananen in der EU vermarkten. Doch der nächste Schrecken droht: Astronomisch hoch könnten die Zölle sein, fürchtet Saborio, um den Schutz für EU- und AKP-Bananen zu erhalten. Schon steht eine Verdreifachung des Bananenzolls zur Debatte. Costaricanische Bananen würden zum Luxusgut für überzeugte Verbraucher - wenn sie denn so viel besser sind.

"Von welchem Geld?"

Wäre Costa Rica die Europäische Union, würde das Land die Sache durch ein paar Exportsubventionen wieder gerade rücken. Dann würden die Luxusbananen auf Europas Märkten wieder billiger, weil der Staat jede Ausfuhr-Banane bezuschusst. Aber da kann Rolando Saborio nur müde lächeln: "Von welchem Geld?", würde er gerne wissen, "wovon?"

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