Chinas Zentralbank:Einkaufsbummel in Mailand

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Investiert kräftig Devisen im Ausland, derzeit ganz besonders gerne in Italien: die chinesische Zentralbank in Peking. (Foto: Petar Kujundzic/Reuters)

Pekings Zentralbank kauft sich binnen Wochen für viel Geld in die drei größten Banken Italiens. Warum?

Von Marcel Grzanna und Ulrike Sauer, Shanghai/Rom

Die Börsen in Shanghai und Shenzhen warten nach der jüngsten Stützungsaktion auf entschlossene Investoren, und was macht die chinesische Zentralbank? Sie setzt ihre Einkaufstour in Italien fort. Die Zentralbank PBOC sicherte sich für etwa 800 Millionen Euro Anteile in Höhe von jeweils rund zwei Prozent an der Mailänder Großbank Unicredit sowie dem ältesten Geldinstitut der Welt, dem Monte die Paschi die Siena.

Die Handelsplätze in Shanghai und Shenzhen schlossen am Dienstag erneut im Minus, obwohl die Regierung über das Wochenende einen Stabilitätspakt mit Vertretern der Finanzindustrie geschlossen hatte. Der Leitindex in Shanghai verlor abermals 1,3 Prozent. Den Technologieindex Chinex erwischte es deutlich stärker. Er sackte um 5,1 Prozent ab.

Inzwischen wachsen die Sorgen, dass sich aus den anhaltenden Verlusten seit Mitte Juni eine echte Finanzkrise entwickeln könnte, unter der die ohnehin zuletzt sehr anfällige chinesische Wirtschaft enorm leiden würde. Das erklärt auch die drastischen staatlichen Eingriffe in die Kursentwicklung. Chinesische Maklerbüros hatten der Regierung am Wochenende zugesagt, mit Stützkäufen in Höhe von 120 Milliarden Yuan, umgerechnet etwa 17,4 Milliarden Euro, die Kurse stabilisieren zu wollen. Am Montag zeigte diese Maßnahme Wirkung, nur einen Tag später gerieten die Kurse erneut stark unter Druck.

Italien wird als Ziel chinesischer Interessen ständig beliebter. Immer mehr Touristen aus der Volksrepublik geben sich in Scharen Italiens Reizen hin. Kunst, Kultur und Küche locken sie ins Mittelmeerland, in Massen drängeln sie sich dieser Tage bei 38 Grad durch Museen und Luxusboutiquen. Zhou Xiaochuan, Gouverneur der chinesischen Notenbank, unterstreicht mit dem Einstieg bei den Banken ein sehr ausgeprägtes finanzielles Interesse an dem Land.

Der neue Ministerpräsident Matteo Renzi hat bereits sein Herz für die Asiaten entdeckt

Der Appetit kommt auch bei Zhou offenbar beim Essen. Die PBOC sammelt inzwischen mit einer gewissen Routine Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen in Italien. In ihrem Portfolio befinden sich schon zwölf Anlageobjekte. Der Gesamtwert der Beteiligungen liegt bei fünf Milliarden Euro. "Wir würden gerne noch mehr machen", soll Zhou Italiens jungem Ministerpräsidenten Matteo Renzi eröffnet haben.‬ ‪Das Interesse beruht auf Gegenseitigkeit. Dem Gejammer über den Ausverkauf Italiens und der Angst vor der Gefahr aus Fernost unter Silvio Berlusconi folgte ein emsiges Werben um Kapitalzufluss. Seine erste Amtsreise ins nicht-europäische Ausland führte Renzi im vergangenen Jahr nach Peking.‬

Zhous vorletzter Coup in Italien liegt erst zwei Wochen zurück. Die Chinesen kauften sich in Mailand beim Bankenprimus Intesa San Paolo mit zwei Prozent ein. Die Investition in die drei größten italienischen Banken erweist sich kurzfristig aber als sehr unvorteilhaft. Italiens Bankaktien leiden kräftig unter der Zuspitzung der Griechenland-Krise. Doch im Ganzen hat die Zentralbank aus Peking, die als stabiler und zurückhaltender Investor geschätzt wird, in Mailand glänzend verdient. Der Wertzuwachs ihrer italienischen Beteiligungen liegt nach Schätzungen von S&P Capital IQ bei 150 Millionen Euro.

Die Shoppingtour nahm im Juli vergangenen Jahres Fahrt auf. Nur fünf Tage nach dem Besuch des italienischen Finanzministers Pier Carlo Padoan in Peking, der auch mit Zentralbankchef Zhou zusammengetroffen war, informierte die PBOC pflichtgemäß die römische Börsenaufsicht Consob darüber, dass sie die Zwei-Prozent-Schwelle in italienischen Firmen durchbrochen hat. Der Ankündigungsreigen begann am 29. Juli 2014: Fiat 2,001 Prozent, Telecom Italia 2,081 Prozent, der Kabelhersteller Prysmian mit 2,018 Prozent. Später folgten die Energiekonzerne Enel und Eni, Mediobanca und der Versicherer Generali - allesamt italienische Topkonzerne. An der Mailänder Börse stieg die Zentralbank rasch zum achtgrößten Anleger auf, der Unternehmerfamilie Agnelli dicht auf den Fersen.‬

Seit italienische Staatsanleihen weniger Rendite abwerfen, streut die chinesische PBOC ihr Kapital zunehmend in die italienische Privatwirtschaft. Es ist auch ein Teil der Zusage der chinesischen Regierung an die Euro-Länder, ihr Engagement in Europa nicht zu verringern, trotz aller Sorgen um die Stabilität des Euro. Notenbank Chef Zhou bezifferte das Gesamtvolumen chinesischer Investitionen in China auf etwa 100 Milliarden Euro, inklusive der Staatsanleihen. Italien ist dabei nur einer von zahlreichen europäischen Standorten, in die in den vergangenen Jahren große Summen aus der Volksrepublik geflossen sind.

Für Chinas Notenbank, die nicht unabhängig agiert, sondern von der Politik gesteuert wird, sind die Einkäufe in Italien zurzeit kaum mehr als eine nette Ablenkung von der Krise daheim. Sollten die Kurse weiterhin sinken, drohen China ernsthafte Schwierigkeiten.

© SZ vom 08.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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