China stoppt Transrapid-Ausbau:Vom Glück verlassen

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Der Transrapid war einst der Stolz von Shanghai. Weitere Projektverhandlungen verliefen jedoch zäh, dazu hagelte es Bürgerproteste. Nun hat die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua einen Ausbau- Stopp verkündet.

Janis Vougioukas

Bis zuletzt hatten die deutschen Manager gehofft. Ende vergangener Woche war Bundespräsident Horst Köhler nach China gereist. Hochrangige Siemens-Manager hatten sich die Tage extra im Terminkalender freigehalten und gehofft, die Chinesen könnten Köhlers Besuch nutzen, um endlich auch offiziellen die Verlängerung der Schanghaier Transrapidtrasse zu verkünden. Es wäre ein schönes Geschenk gewesen.

Die erste Transrapid-Strecke in Shanghai ist erfolgreich in Betrieb. Doch einen Ausbau wird es offenbar nicht geben. (Foto: Foto: AP)

Als die Nachricht eintraf, herrschte im Internet Stille. Chinas Netzgemeinde wartete ab. Viele Monate hatten tausende Schanghaier Bürger im Internet den Protest gegen den Streckenausbau koordiniert. Die staatlich kontrollierten Medien schwiegen. Doch in der Anonymität der virtuellen Diskussionsforen herrschte Aufruhr.

Am Samstag war Horst Köhler gerade mit dem Transrapid Richtung Flughafen gefahren, als die Nachrichtenagentur Xinhua ("Neues China") den Stopp des Projektes verkündete. Die Chatrooms schwiegen zunächst, als ob niemand die Nachricht glauben wollte.

Der Artikel zitierte ein Mitglied des Schanghaier Volkskongresses. "Vor allem wegen der Proteste der Anwohner ist die Verlängerung der Transrapidtrasse vorerst gestoppt worden", hieß es in dem Artikel. Die Regierung prüft das weitere Vorgehen. "Die Stimmen der Anwohner sind erhört worden", schrieb schließlich ein Surfer mit dem Namen "Über die Wolken aufsteigen". Viele Schanghaier Bürger spürten Erleichterung.

Importierte Prostestkultur

Nur wenige Themen haben die Bewohner der ostchinesischen Wirtschaftsmetropole in den vergangenen Jahren derart in Aufregung versetzt wie der Transrapid und die Verlängerung der Hochgeschwindigkeitstrasse. Es ist fast, als sei mit der deutschen Technologie auch ein Stück Protest- und Bürgerinitiativenkultur nach China importiert worden.

Der Anfang schien vielen wie der Beginn eines neuen Zeitalters im Personenverkehrs. Als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder und Chinas ehemaliger Ministerpräsident Zhu Rongji im Dezember 2002 die erste kommerziell genutzte Transrapidtrasse eröffneten, schien die Magnetschwebetechnologie endlich den Durchbruch geschafft zu haben.

Doch bereits wenige Monate später verließ das Glück den Transrapid. Für die prestigeträchtige 1.200 Kilometer lange Fernverbindung zwischen Schanghai und Peking entschied sich China für die traditionelle Technologie. "Der Transrapid ist noch immer zu unerprobt", hieß es aus dem Eisenbahnministerium.

Jahre lang verhandelten die Konsortialfirmen Siemens und ThyssenKrupp mit der chinesischen Regierung über die Verlängerung der Trasse zur 175 Kilometer entfernten Nachbarstadt Hangzhou. Die Verhandlungen stockten. Doch der gut 30 Kilometer lange Teilabschnitt zum Inlandsflughafen Hongqiao galt noch als wahrscheinlich.

Im Frühjahr begann die Schanghaier Regierung mit der Umsiedlung der betroffenen Anwohner entlang der Trasse - obwohl zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal ein Liefervertrag unterschrieben worden war. Die Strecke sollte mitten durch dicht besiedeltes Stadtgebiet verlaufen; manche Hochhäuser lagen gerade 22,5 Meter entfernt neben dem aufgestelzten Fahrweg.

Noch nichts endgültig

Der Transrapid war einmal der Stolz der ganzen Stadt. Niemand hätte damit gerechnet, dass die Furcht vor Strahlenbelastung und der Ärger über fallende Wohnungspreise tausende Schanghaier Bürger zu Demonstranten machen würde. Es gab unangemeldete Kundgebungen vor dem Gebäude der Stadtverwaltung. Die Bewohner mehrere Wohnanlagen schrieben Briefe an die deutsche Bundeskanzlerin und den Siemens-Chef. Innerhalb eines einzigen Tages gingen über 5.000 Beschwerden bei der Verwaltung des Stadtbezirks Minhang ein.

Es gab noch andere Gründe, die die Schanghaier Regierung bewogen haben, schließlich die Notbremse zu ziehen. Dazu gehören auch die hohen Kosten von 35 Milliarden Yuan, umgerechnet etwa 3,4 Milliarden Euro. Auch die Verhandlungen mit Siemens und ThyssenKrupp steckten fest, berichteten chinesische Medien.

Endgültig ist noch nichts entschieden. Und unklar ist derzeit auch, ob sich der Baustopp nur auf die Hangzhou-Strecke oder auch auf die Anbindung des Inlandsflughafens bezieht. Nur eines ist sicher: Ein goldenes Zeitalter wird der Transrapid in China nicht mehr erleben.

© SZ vom 28.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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