Cevian:Kühl und gut informiert

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Der schwedische Finanzinvestor Cevian macht Druck - bei Thyssen-Krupp, Bilfinger und ABB.

Von Karl-Heinz Büschemann

Roland Koch hatte in seiner kurzen Zeit als Industriemanager ein paar Dinge wohl missverstanden. Als der frühere Ministerpräsident von Hessen im Sommer 2011 Chef des Baukonzerns Bilfinger wurde, glaubte er, die Führungserfahrung eines Politikers reiche für den Posten eines Unternehmenschefs. Als Bilfinger kurz nach seinem Start einen neuen Großaktionär bekam, folgte die nächste Fehleinschätzung: Das Engagement des neuen Investors sei "eine Bestätigung der erfolgreichen strategischen Ausrichtung des Konzerns", sagte Koch. Es dauerte drei Jahre, dann war Koch seinen Posten wieder los.

Koch hatte Pech. Der neue Großaktionär war der schwedische Finanzinvestor Cevian, der als wenig zimperlich gilt. Stimmen die Zahlen auf Dauer nicht, ziehen die Cevian-Manager Konsequenzen. Auch Rausschmisse gehören zu ihrem Werkzeugkasten. Wo immer sie sich einkaufen, sollten die Chefs das Engagement der Schweden als Misstrauensvotum werten und nicht als Kompliment.

Gerade bekommt das der Chef des schweizerisch-schwedischen Technologiekonzerns ABB zu spüren. Cevian ist seit Mai an dem Siemens-Konkurrenten beteiligt, bisher nur mit 5,1 Prozent. Doch die Schweden zeigen schon Zähne. "Ja", sagt Ulrich Spiesshofer, der 51-jährige Deutsche auf dem ABB-Chefstuhl. Er spüre den Druck des neuen Aktionärs. Wobei er das natürlich etwas eleganter umschreibt mit dem Satz: "Wir haben einen aktiven Dialog mit Cevian."

Der schwedische Finanzinvestor ist mit etwa 14 Milliarden Euro an etwa einem Dutzend Firmen beteiligt und bezeichnet sich als "aktiver" Fonds. Das heißt, die Schweden warten nicht einfach, bis die Rendite stimmt, sondern sie greifen ins Geschehen ein, besetzten Posten in Aufsichts- oder Verwaltungsräten und reden mit. In Deutschland hat neben Bilfinger auch der Stahl- und Maschinenbauer Thyssen-Krupp mit Cevian zu tun. Wie aktiv die Investoren sein können, haben sie gerade beim schwedischen Lkw-Hersteller Volvo bewiesen, wo es nicht so läuft wie von Cevian geplant. Im Frühjahr sorgten sie für einen Chefwechsel, als sie Martin Lundstedt vom Konkurrenten Scania, einer VW-Tochter, abwarben.

Die Cevian-Manager sagen, sie gingen anders vor, als die meisten Finanzinvestoren. Aber auch sie suchen schnelle Rendite. Innerhalb von drei bis fünf Jahren wollen sie ihren Einsatz verdoppelt haben, verrät Cevian-Chef Lars Förberg. Sie beteiligen sich nur an Unternehmen, die sie an der Börse für unterbewertet halten. Der Einstieg von Cevian ist demnach ein klarer Hinweis an die Manager, nicht gut zu arbeiten. Zuvor schauen sich die Strategen ein ins Auge gefasstes Unternehmen monatelang an. Sie analysieren die Märkte und die Konkurrenten. Wahrscheinlich wissen die Cevian-Analysten am Ende mehr über eine Firma als die eigenen Manager. Sicher ist, dass sie keine Ruhe mehr haben, sobald die Cevian-Strategen an Bord sind. Von dem deutschen Cevian-Vertreter Jörg Tischendorf, der im Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp sitzt, schrieb das Manager-Magazin, seine Fragen seien stets freundlich formuliert gewesen, "aber mit der Präzision eines Laserstrahls" darauf gerichtet, wo es wehtat. "Wir handeln so, wie es ein Eigentümer tun sollte", sagt ein Vertreter von Cevian, der nicht genannt werden möchte. Dass viele Eigentümer das nicht tun, das sei die Chance für ihre Investments.

So geriet Thyssen-Krupp in den Fokus von Cevian, und Konzernchef Heinrich Hiesinger hat nun viel zu tun, den Quälgeistern gerecht zu werden. Der Thyssen-Aktienkurs hat sich seit dem Einstieg der Schweden vor zwei Jahren aber nur wenig verbessert. Cevian kann damit nicht zufrieden sein. Schon lange wird spekuliert, ob die Schweden, die etwa 15 Prozent an Thyssen-Krupp halten, den Stahl- und Mischkonzern zerschlagen wollen.

Die Schweden schauen sich die Firmen genau an, bevor sie einsteigen

Ein ähnliches Schicksal droht auch ABB. Der Konzern hat zwei Säulen: Technik zur Stromerzeugung und -verteilung sowie Automatisierungstechnik für Fabriken. Beide haben nicht viel gemeinsam. Doch Unternehmenschef Spiesshofer behauptet: "Die Bereiche hängen eng zusammen." Das bezweifeln die Cevian-Analysten. Deshalb bauen sie Druck auf: ABB brauche "mehr Wachstum, höhere Effizienz, mehr Agilität", sagt Cevian-Mann Förberg. "Die Hausaufgaben müssen gemacht werden." Spiesshofer weiß, wie Förberg über Manager denkt, die nicht genug leisten: "Wenn jemand bessere operative Arbeit leisten kann als das bisherige Management, muss man es auswechseln".

Noch ist der Anteil von Cevian an ABB zu klein für große Entscheidungen. Aber eine Beteiligung lässt sich erhöhen. Vorsichtig sagt Spiesshofer jetzt, auch er sei nicht mit dem Verlauf des Aktienkurses zufrieden. "Ich hätte gerne mehr." Der ABB-Chef will noch nicht verraten, ob er dem Drängen nachgibt und den Verkauf der Stromsparte plane. "Wir treffen die Entscheidung im nächsten Jahr", sagte er im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

Bei Bilfinger sind die Cevian-Strategen inzwischen schon weiter. Auch der Mannheimer Konzern, bei dem die Schweden inzwischen auf 25,6 Prozent aufgestockt haben, hat zwei Bereiche. Einer befasst sich mit Baudienstleistungen, der andere mit der Service von Industrieanalagen. Der geschasste Roland Koch hat behauptet, es gebe Synergien zwischen beiden Geschäften. Das war sein Ende.

Inzwischen haben die Schweden Per Utnegaard ins Chefbüro gesetzt, einen Norweger, der das Unternehmen ganz kühl in Cevian-Manier untersucht hat. Und was sagt der Neue? Er sagt Ungewöhnliches. Normalerweise würde ein Firmenchef ein solches Geheimnisse kaum öffentlich preisgeben: "Zwischen beiden Bereichen gibt es keine Synergien", sagt der Neue. "Nullkommanull". In Mannheim wird über die Aufspaltung nachgedacht.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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