Butlers:Krimskramskrise

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In der gebeutelten Branche bahnen sich überraschende Bündnisse zwischen Onlinern und Offlinern an.

Von Michael Kläsgen

Für die Einzelhändler ist die Pleite von Butlers ein Schock. Auch Profis rätseln, was da los ist in den Innenstädten. "Wir sind einfach ratlos", sagt Thomas Grothkopp, Geschäftsführer des Handelsverbands Koch und Tischkultur. Die am Montag bekannt gewordene Insolvenz des Wohndeko-Ladens ist für Leute wie ihn ein Fanal, ein Alarmsignal, das Unheil verheißt. Es bedeutet, dass hier etwas Grundsätzliches im Umbruch ist und dass man nur sehr schwer etwas dagegen tun kann. Die Deko-Kette aus Köln galt in vielerlei Hinsicht als vorbildlich, startete auch früh einen Online-Shop - und scheiterte trotzdem.

Da wirkt es fast wie Ironie, dass selbst der vorläufige Insolvenzverwalter Jörg Bornheimer nach nur einer Woche im Amt beeindruckt von Butlers ist: "Die Belegschaft arbeitet so effizient, wie ich das selten erlebe", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Aber andererseits gilt eben auch, dass genau deswegen jetzt alle so geschockt sind. Die Kette hat kaum was falsch gemacht, war innovativ und extrem kostenbewusst. Und jetzt das Aus.

Das offenbart das Ausmaß des Elends. Butlers ist ja nicht der einzige Laden, der leidet. Die Krise hat die ganze Branche erfasst, das heißt im Prinzip alle Firmen, die mit Einrichtungs- und Lifestyleprodukten handeln. Und dazu zählen extrem viele, auch Kaufhäuser wie Karstadt und Kaufhof gehören mit einem Teil ihres Angebots dazu. Oder Ketten wie Zara Home und Nanu Nana. Jeder positioniert sich im Markt mit Preisen und Produkten etwas anders.

Die Plattformökonomie ändert alles. Die alten Rezepte funktionieren nicht mehr

Und dennoch ist allen eines gemein: Kaum einer von ihnen verdient Geld, sagt ein Insider. Das gibt natürlich kaum einer zu. Aber klar ist, auch viel größere Firmen wie Depot oder reine Online-Händler wie Home24 krebsen herum.

Andere wie Strauss Innovation hat es dahingerafft. Und selbst Tchibo holte sich Anfang des Jahres einen Sanierer als neuen Chef ins Haus. All das sind Anzeichen für den Niedergang einer ganzen Branche; und den Textilhändlern geht es nicht besser. Grothkopp sagt: "Vielleicht werden wir bald zehn bis 20 Prozent weniger Läden in den großen Städten haben." Auch er weiß nicht, wo das alles endet. Keiner weiß es. Auch daher rührt die Ratlosigkeit. Niemand hat ein Rezept dagegen.

Früher hätte es vielleicht geholfen, wenn Butlers am Ende das kopiert hätte, was, sagen wir, Depot besser machte. Etwa mehr Filialen zu eröffnen; oder das Sortiment noch schneller zu wechseln oder die Läden noch länger zu öffnen. Aber all das reicht heute nicht zum Überleben aus, sagt der Autor und E-Commerce-Unternehmer Alexander Graf.

Der Gegner, gegen den die klassischen Läden in der Stadt heute ankämpfen, ist viel diffuser, als es früher der Konkurrent auf der anderen Straßenseite war. Ihn als "der Online-Handel" zu bezeichnen, wäre verkürzt ausgedrückt, obwohl es natürlich um Amazon, Google und Facebook geht. Dennoch ist damit nicht die Erweiterung des herkömmlichen Geschäftsmodells in die digitale Welt gemeint. Entscheidend für das Überleben der Butlers dieser Welt ist vielmehr, auf den dominanten Plattformen der Internetgiganten nicht nur zu bestehen, sondern sich dort hervorzutun. Diese "Plattformökonomie" ist es, sagt Graf, die den gegenwärtigen Umbruch im Handel ausgelöst hat. Derzeit trifft es vor allem den Handel mit Produkten, die vor allem Frauen zu sogenannten Impuls-Käufen verleiten sollen. Also zu Käufen, die spontan, aus einem bestimmten Anreiz heraus getätigt werden, den man hinterher selber kaum in Worte fassen kann. Dieses plötzliche "Ja-das-will-ich-haben-Gefühl" wurde früher - das heißt im schnelllebigen digitalen Zeitalter - vor vielleicht fünf Jahren, noch im Laden ausgelöst. Aber in Zeiten der Plattformökonomie funktioniert das so nicht mehr.

Home24 hat eine interessante Botschaft für den Insolvenzverwalter

Ein Gang durch die Einkaufsstraßen großer Städte wie München, Hamburg oder Köln kann da leicht täuschen. Im Gegensatz zu vielen kleineren Orten sind die Zentren dort zwar noch belebt. Was oft auch daran liegt, dass dort viele Touristen unterwegs sind. Bei Butlers am Stachus oder an der Neuhauser Straße in München jedenfalls ist einiges los. Das Problem ist aber, dass die Leute selten etwas kaufen. Und wenn, dann nur so wenig, dass die Läden kaum davon leben können. "Der Kassenbon ist einfach zu kurz", sagt Grothkopp in der Sprache der Einzelhändler. Der Befund ist bitter: Die Besucherzahlen in den Großstädten gehen rauf, die Umsatzzahlen aber runter.

Graf hat berechnet, dass der Onlinehandel den Läden in der Innenstadt mindestens 500 Millionen Euro pro Monat an Kaufkraft entzieht. "Die Innenstadt ist vielleicht nicht tot, aber sie bietet keine Zukunft mehr für Handelsgeschäfte", sagt er. "Die Städte müssen sich etwas anderes einfallen lassen." Die Händler auch.

Jetzt zählt vor allem der exklusive Zugang zum Kunden auf diesen Plattformen. Unternehmen wie Butlers sind dazu gezwungen, dort den eigenen Kundenzugang zu mieten. Graf nennt das Beispiel Google-Werbeanzeigen. Aber auch das allein reicht nicht, denn die Plattformen ändern sich permanent, weshalb Butlers und Co. gleichzeitig in Konkurrenz zu den gerade aktuellen Geschäftsmodellen der Plattformen stehen. Graf befürchtet deswegen, dass Insolvenzverwalter Bornheimer scheitern könnte, wenn er Butlers mit "den klassischen Unternehmenskonzepten aus der BWL" retten will.

Vielleicht wird man daher noch Überraschendes erleben. Der Online-Möbelhändler Home24 lässt nach der Butlers-Pleite wissen, dass man doch nicht immer nur nebeneinanderher arbeiten müsse, sondern es auch Potenzial für erfolgreiche Partnerschaften gebe. Home24 ist überzeugt, darbenden Offlinern wie Butlers die ideale digitale Plattform zu bieten, die sie fürs Überleben brauchen. Eine deutliche Botschaft an den Herrn Insolvenzverwalter.

© SZ vom 04.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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