Bundesrechnunghof :Weg mit den Rabatten

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Der Bundesrechnungshof hält den vergünstigten Steuersatz für viele Produkte für überholt. Nicht nur die Privilegierung von Tabakwaren sei ein Relikt aus anderen Zeiten. Die Prüfer warnen auch: Der Bund überweist zu viel an die Länder.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Weg mit der Steuerbefreiung für Tabak und die (zumindest weitgehende) Abschaffung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes. Das sind keine linken Forderungen, sondern die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes, festgehalten im Jahresbericht 2017, den das Kontrollgremium an diesem Dienstag vorgelegt hat. In dem Bericht fordern die Prüfer die Bundesregierung auf, angesichts der Fülle von neuen, zu finanzierenden Aufgaben in den nächsten Jahren auch die Einnahmen des Bundeshaushalts zu verbessern - und dazu sämtliche Subventionen zu überprüfen.

Eine "kritische Prüfung der Steuervergünstigungen könnte erhebliche finanzwirtschaftliche Spielräume eröffnen", schreiben die Kontrolleure. Das sei nötig, "um für die Bewältigung der finanzwirtschaftlichen Herausforderungen vorzusorgen und mögliche Steuerentlastungen nachhaltig finanzieren zu können".

Zudem stehe die vom Bundesrechnungshof "seit Jahren geforderte Reform des ermäßigten Umsatzsteuersatzes" aus. Bislang unterliegen nicht nur diverse Nahrungsmittel einem reduzierten Steuersatz, sondern auch Tiere wie Hausrinder und Tauben. Aber auch Sammlermünzen, Prothesen oder Gemälde finden sich in der Liste. Ausführlich gehen die Prüfer auf die Steuervergünstigung für Tabakwaren ein.

Sie ist ein Relikt aus anderen Zeiten. Nach dem ersten Weltkrieg hatte der Reichstag aus "sozialen Gründen" ein Tabakdeputat beschlossen. Tabakwaren, die der Hersteller an seine Beschäftigten unentgeltlich abgibt, waren von der Tabaksteuer befreit; das sollte die Arbeitsmoral stärken und Dienstählen vorbeugen. Heute steht Rauchen wegen der gesundheitsschädigenden Folgen auf der öffentlichen Verbotsliste. Das Tabakdeputat aber steht weiter in den Tarifverträgen. Die Steuermindereinnahmen hätten sich seit 1989 auf fast 172 Millionen Euro summiert, bemängelt der Bundesrechnungshof.

Auch die immer neuen Milliardentransfers des Bundes an die Bundesländer bewertet der Bundesrechnungshof als kritisch. Bereits im Jahr 2018 würden Länder und Kommunen mehr als 76 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt erhalten, schreiben die Experten. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt soll 2018 insgesamt knapp 336 Milliarden Euro umfassen.

Finanzierung von Länderaufgaben durch den Bund gefährde ausgeglichenen Bundeshaushalt

Die Gegenleistungen der Länder, etwa Zugeständnisse bei Kontrollrechten oder Fortschritte bei der Entflechtung der Aufgaben von Bund und Ländern seien "demgegenüber gering". Beschlossen sei nur der Übergang der Bundesautobahnen in eine Bundesgesellschaft sowie die Eigenverantwortung beim sozialen Wohnungsbau ab 2020. Die zunehmend einseitige Finanzierung von Länderaufgaben durch den Bund gefährde mittelfristig den ausgeglichenen Bundeshaushalt, warnen die Gutachter. Es sei nötig, "die finanzielle Eigenverantwortung der staatlichen Ebenen zu stärken".

Hintergrund der Warnung sind die neu geregelten Bund-Länder-Finanzbeziehungen, wonach der Bund von 2020 an jährlich zusätzlich zehn Milliarden Euro an die Länder überweist, die Summe wächst dynamisch. Zudem übernimmt der Bund einen großen Teil an den Flüchtlingskosten. Im Haushaltsentwurf 2018 sind 21 Milliarden Euro dafür vorgesehen. Auch wenn die Flüchtlingszahlen inzwischen auf das Niveau von vor 2015 gesunken sind, ist auch in den kommenden Jahren mit zweistelligen Milliardenausgaben zu rechnen. Ein erheblicher Teil davon wird vom Bund an Länder und Kommunen überwiesen.

Die wachsenden Transfers des Bundes an die Länder geraten zunehmend in die Kritik. Wegen der Vermischung der föderalen Zuständigkeiten, aber auch wegen der Überschüsse, die mittlerweile auch die Länder verbuchen. Sie werden im laufenden Jahr auf 15 Milliarden Euro geschätzt.

Erstmals schreiben alle Bundesländer schwarze Zahlen, auch Nordrhein-Westfalen. Obwohl die eigenen Kassen überlaufen, rufen die Länderfürsten stets nach dem Bund, wenn neue Ausgaben anstehen, zuletzt beim Kommunalgipfel im November. Die Maßnahmen zur Luftreinhaltung sind zwar im Interesse der Länder und nicht genuine Aufgaben des Bundes, dennoch weigern sich die Ministerpräsidenten, den beschlossenen Mobilitätsfonds mit Ländermitteln zu füllen.

Die Milliardentransfers an die Länder sind nicht das einzige Risiko für den Bundeshaushalt. Der Bundesrechnungshof bewertet auch die steigenden Aufwendungen zu den Rentenkassen oder zur Modernisierung der Infrastruktur mittel- bis langfristig als kritisch. Teuer werden könnten zudem die Endlagerung radioaktiver Abfälle, die Bewältigung des Flüchtlingsansturms sowie der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union.

© SZ vom 13.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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