Bombardier:Schönes, teures Flugzeug

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Die Auslieferung der neuen C-Serie von Bombardier verzögert sich, die Kosten steigen. (Foto: Kevin Van Paasen/Bloomberg)

Bombardier und Airbus haben Gespräche über eine Zusammenarbeit abgebrochen. Für den angeschlagenen kanadischen Hersteller könnte das dramatische Folgen haben.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Im Sommer bat Bombardier-Chef Alain Bellemare seinen Airbus-Kollegen Fabrice Brégier und Verkaufsvorstand John Leahy zur Privatführung. Die beiden Airbus-Manager durften sich auf der Pariser Luftfahrtmesse das neueste Produkt des kanadischen Konzerns von innen ansehen, die C-Serie. Selbst Leahy, der sonst kein gutes Haar an seinem kleinen Konkurrenten lässt, war anschließend angemessen beeindruckt. Bombardier habe da ein "schönes kleines Flugzeug" gebaut, sagte er nach seinem Besuch.

Es war aber offenbar nicht schön genug, um Airbus von einer weitreichenden Entscheidung zu überzeugen: In der Nacht zu Mittwoch bestätigten sowohl Bombardier als auch Airbus, Gespräche über eine enge Kooperation geführt zu haben. Diese seien aber beendet worden. Keines der beiden Unternehmen äußerte sich dazu, worüber genau sie miteinander verhandelt haben. Es gilt aber als sicher, dass es um den Verkauf zumindest eines großen Anteils am C-Serie-Programm gegangen ist.

Mit dem 2008 offiziell gestarteten Projekt versucht Bombardier, in den Markt von größeren Passagierflugzeugen einzudringen, der bislang von Boeing und Airbus kontrolliert wird. Die C-Serie wird in unterschiedlichen Versionen von 110 bis 160 Sitzen angeboten und soll im ersten Halbjahr 2016 an den Erstkunden, Lufthansa-Tochter Swiss International Air Lines, ausgeliefert werden. Die kleinsten Maschinen von Airbus und Boeing haben, je nach Auslegung, etwa 120 Sitze aufwärts. Die C-Serie steht vor allem in Konkurrenz mit den Modellen Airbus A319 und Boeing 737-700, die sich allerdings kaum noch verkaufen, weil Fluggesellschaften größere Versionen bevorzugen.

Die C-Serie hat Bombardier mittlerweile in eine existenzbedrohende Schieflage gebracht, ein Investor ist nötig. Denn die Kosten für das Flugzeug sind aus dem Ruder gelaufen. Da das Flugzeug wegen diverser technischer Probleme in der Entwicklungsphase mittlerweile etwa zwei Jahre später ausgeliefert werden soll als ursprünglich geplant, liegen die Kosten nach Schätzungen etwa zwei Milliarden Dollar über Plan. Bombardier verbrennt in rasender Geschwindigkeit seine Barreserven, alleine im zweiten Quartal waren es mehr als 800 Millionen Dollar. Die Reserven liegen zwar noch bei drei Milliarden Dollar, aber das Projekt ist noch lange nicht über dem Berg: Bis zur Auslieferung dürfte es mindestens ein halbes Jahr dauern, anschließend steht der teure Produktionshochlauf an. Traditionell verlieren Flugzeughersteller in den ersten Jahren neuer Programme bei jeder einzelnen Auslieferung weiteres Geld, weil sie die Erstkunden zuvor mit hohen Preisnachlässen gelockt haben.

Wie ernst das Bombardier-Management die Lage mittlerweile selbst sieht, zeigt alleine die Tatsache, dass es überhaupt das Gespräch mit Airbus gesucht hat. Nach einer ersten Refinanzierungsrunde im Frühjahr hatte der neue Chef Bellemare gleich weitere Pläne angekündigt: Ein Teil der Bombardier-Eisenbahnsparte soll an die Börse gehen, darüber hinaus erwäge das Unternehmen, in der ein oder anderen Form am Umbau der Branche teilzunehmen, sprich: Sparten zu verkaufen oder in Gemeinschaftsunternehmen einzubringen. Bislang waren die meisten Experten und Analysten davon ausgegangen, dass es sich dabei neben den Zügen um Aktivitäten wie Business Jets oder Strukturbauteile handeln würde, und dass das Unternehmen aber alles daran setzen würde, den Kern seines Luftfahrtbereiches zu erhalten. Das ist angesichts der überbordenden Kosten nun offenbar nicht mehr so sicher.

Die Kanadier haben bislang erst gut 240 Flugzeuge der neuen C-Serie verkauft

Mit 243 festen Aufträgen ist der Verkaufserfolg für die C-Serie hinter den Erwartungen zurückgeblieben - in der gleichen Zeit haben Airbus und Boeing buchstäblich Tausende ihrer Jets gleicher Größe verkauft. Am Flugzeug selbst, das in der Branche als technisch gelungen gesehen wird, kann es nicht liegen. Doch das ist kein Anlass für Entwarnung, im Gegenteil: Angesichts der stetig sinkenden Ticketpreise haben Fluggesellschaften weltweit in den vergangenen Jahren immer mehr auf größere Flugzeuge von 150 Sitzen an aufwärts gesetzt und dafür lieber Frequenzen gestrichen - sie bieten mehr Sitze mit weniger Flügen an. Dadurch sind die meisten aus dem Segment, das die C-Serie abdeckt, herausgewachsen. Gleichzeitig aber verhindern Klauseln in den Tarifverträgen der Piloten, dass die Regionalableger der großen Konzerne Maschinen dieser Größe betreiben. Lufthansa Cityline etwa dürfte derzeit keine C-Serie einsetzen, ohne vorher die Zustimmung der Vereinigung Cockpit (VC) bekommen zu haben. Dadurch wollen die Piloten die besser bezahlten Jobs der großen Fluggesellschaften schützen. Damit scheinen die Marktperspektiven für die C-Serie auf Dauer limitiert zu sein.

Die große Frage ist nun, ob sich statt Airbus ein anderer Investor findet. Boeing dürfte zu den gleichen Schlussfolgerungen kommen wie Airbus, zumal der amerikanische Konzern auch noch enge Beziehungen zu Bombardier-Konkurrent Embraer pflegt. Dem Vernehmen nach hat es auch Gespräche mit Vertretern der russischen und chinesischen Luftfahrtindustrie gegeben. Doch zumindest im Falle Chinas sollen diese mittlerweile ebenfalls im Sande verlaufen sein. Einerseits würde sich China über einen Einstieg bei Bombardier Zugang zu westlicher Technologie verschaffen, andererseits aber steht die C-Serie in Konkurrenz zur einheimischen C919, die in den kommenden Jahren auf den Markt kommen soll.

Scheitert also wieder ein ambitioniertes Flugzeugprojekt in letzter Sekunde? Das Szenario scheint nicht mehr ausgeschlossen zu sein, und es wäre nicht das erste Mal: 2002 musste Fairchild Dornier Wochen vor dem Erstflug ihres Regionaljets Dornier 728 Insolvenz anmelden, nachdem alle denkbaren möglichen Investoren abgesagt hatten. Darunter befand sich auch - Ironie der Geschichte - Bombardier. Und der Erstkunde der 728 hieß damals: Lufthansa.

© SZ vom 08.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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