Börsengang:Dämpfer für den Hype

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Darf's eine Vase sein? Auch auf Flohmärkten in London kommt der Bezahldienst Square schon zum Einsatz. (Foto: imago stock&people)

Der Bezahldienst Square enttäuscht an der New Yorker Börse einem niedrigen Ausgabepreis

Von Claus Hulverscheidt, New York

Sicher, es ist nur eine einzelne Firma. Sie schreibt tiefrote Zahlen, die Branche gilt als schwierig. Es gibt also einige spezifische Gründe dafür, dass der kalifornische Finanzdienstleister Square seinen für Donnerstag geplanten Gang an die New Yorker Börse erst einmal verpatzt hat: Ganze 243 Millionen Dollar spielte der erstmalige öffentliche Verkauf seiner Aktien ein - rund 100 Millionen weniger als erhofft. Statt wie bisher angenommen sechs Milliarden Dollar war das Unternehmen, das unter anderem Kreditkarten-Lesegeräte für Smartphones und Tablets anbietet, plötzlich nur 2,9 Milliarden wert.

Doch so viele Eigenheiten der Fall Square auch aufweisen mag, so berechtigt ist die Frage, ob es nicht auch ein eingetrübtes Umfeld war, das dem Unternehmen die Party verhagelt hat. Geht der Hype, der seit Jahren um Internetfirmen wie Uber, Airbnb, Twitter und Co. herrscht, etwa zu Ende? Platzt da womöglich gerade eine riesige Blase, was beweisen würde, dass viele der Firmen grotesk überbewertet waren?

Noch gehen die Meinungen auseinander. Tatsache aber ist, dass Square nicht das erste Unternehmen ist, dessen Börsengang enttäuscht. Auch die Partnervermittlungsplattform Match musste diese Woche einen Erstausgabepreis für seine Aktien hinnehmen, der mit zwölf Dollar am unteren Ende der Erwartungen lag - und das obwohl die Firma mit Dating-Diensten wie Tinder, FriendScout 24 und Neu.de im Gegensatz zu Square sogar Geld verdient. Der Fitnessbändchen-Hersteller Fitbit sah sich genötigt, das Volumen einer zweiten Aktientranche mangels Nachfrage zu reduzieren, der Online-Immobilienkreditanbieter LoanDepot musste den Gang aufs Parkett sogar vorerst absagen.

Square, Match, Fitbit und LoanDepot gehören zu jenen Tech-Firmen, deren Wert schon vor dem Börsendebüt auf über eine Milliarde Dollar taxiert wurde. Fachleute bezeichnen solche Unternehmen als "Einhörner", weil sie - zumindest früher - so selten waren. Die Jagd der Beteiligungsgesellschaften und Investmentfonds nach vermeintlichen Schnäppchen und hohen Renditen hat die Zahl der Einhörner jedoch dramatisch in die Höhe getrieben.

Die bedeutendsten Vertreter dieser Spezies - der Fahrdienst Uber, der Zimmervermittler Airbnb oder etwa Fitbit - wurden zudem derart mit Geld überschüttet, dass ihre Bewertungen astronomische Höhen erreicht haben. Airbnb bringt es auf mehr als 25 Milliarden Dollar und ist damit teurer als die Marriott-Gruppe mit ihren über 4000 Hotels. Uber hat sogar die 50-Milliarden-Dollar-Marke geknackt. Selbst Tech-affine Manager wie Microsoft-Chef Satya Nadella oder Broadcast-Gründer Mark Cuban sagen angesichts der Überfinanzierung bereits seit Monaten ein Platzen der Blase voraus. "Es ist alles wieder so wie im Jahr 2000 - nur viel schlimmer", so Cuban. Damals war der Markt für junge Internetfirmen schon einmal kollabiert.

Gründer Jack Dorsey ist zudem Chef bei Twitter. Beide Firmen sind noch nicht profitabel

Der Fall Square erinnert auch deshalb an die Geschehnisse rund um die Jahrtausendwende, weil hier ein Unternehmen mit Milliardensummen bewertet wird, das noch nie einen Dollar Gewinn erzielt hat. Im Gegenteil: In den ersten neun Monaten des Jahres verbuchte die Firma einen Verlust in Höhe von gut 131 Millionen Dollar, noch einmal 14 Millionen mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Der Umsatz stieg zwar um fast 50 Prozent auf 892 Millionen Dollar, das Wachstum hat sich damit aber verlangsamt. Square zähle zu jenen Unternehmen, "die viel dafür ausgeben, ihr Bruttoergebnis zu erhöhen, deren Weg zur Profitabilität aber noch weit ist", sagte Jeremy Abelson, Gründer des New Yorker Investmentfonds Irving Investors, dem Wall Street Journal. Für solche Firmen werde ein Börsengang zunehmend schwerer.

Square bietet neben Lesegeräten, die Kreditkartenzahlungen über das Handy ermöglichen, zahlreiche andere Finanzdienste an. Der Markt wächst rasant, parallel dazu wird jedoch auch der Wettbewerb immer intensiver. So streitet sich die Firma nicht nur mit Großbanken und Kreditkartenanbietern, sondern auch mit Tech-Konkurrenten wie Apple und PayPal um Marktanteile. Hinzu kommen Rückschläge wie die jüngste Ankündigung der Kaffeehaus-Kette Starbucks, künftig auf die Dienste von Square zu verzichten. Dem Unternehmen aus San Francisco brachen so über Nacht elf Prozent der Einnahmen weg.

Und noch ein Problem schleppt die Firma mit sich herum - eines, das unter anderen Umständen ihr größter Trumpf sein könnte: Chef ist ihr allseits bekannter Gründer Jack Dorsey, der allerdings in gleicher Funktion auch bei seiner zweiten Erfindung tätig ist: dem nicht ganz unbedeutenden, ebenfalls mit Problemen kämpfenden Kurznachrichtendienst Twitter. Die Führung gleich zweier unprofitabler Unternehmen - das ist nach Meinung vieler Experten aber selbst für einen Dorsey zu viel. Einen Lichtblick gab es für Square am Donnerstag dann doch noch: Der Kurs der Aktie, die man noch am Mittwoch für neun Dollar hatte verkaufen müssen, schoss unmittelbar nach Börsenstart um 50 Prozent in die Höhe.

© SZ vom 20.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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