BMW Welt:Vom Boom der Auto-Kathedralen

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BMW eröffnet am Mittwoch ein neues Auslieferungszentrum in München. Dabei geht es um mehr als um eine Pilgerstätte für die Fans PS-starker Autos.

Michael Kuntz

Mit seiner "BMW Welt'' hebt der bayerische Autohersteller die Verklärung des Konsumgutes Kraftfahrzeug auf ein neues Niveau. Direkt neben dem gerade sanierten Vierzylinder-Hochhaus in München, seiner Hauptverwaltung, bereichert BMW die an anregender Architektur nicht arme Stadt um einen künstlerischen und bautechnischen Höhepunkt: ein Erlebnis- und Auslieferungszentrum.

One, two - open!
:BMW-Welt - Countdown

Blitzend, gigantisch - größenwahnsinnig vielleicht? Die neue BMW-Welt ist ein Autotempel der Superlative - das Innere wird nun zu sehen sein. Am Mittwoch ist Eröffnung.

Zwar konnte man sich auch früher schon seinen BMW im Werk abholen. Doch dieser bisher eher profane Vorgang wird in dem an diesem Mittwoch für die Prominenz und am Samstag für das Publikum eröffneten Neubau künftig als stilvolle Inszenierung ablaufen.

Sie soll dem Kunden des weltweit größten Herstellers von Luxusautos vor allem zeigen, dass er mehr als die Summe der Einzelteile eines Autos erworben hat. Kein Massenauto vom Fließband, sondern ein maßgeschneidertes Fahrzeug, das es mit hoher Wahrscheinlichkeit so nicht noch einmal gibt. Ein Produkt, dessen Glanz auf seinen Besitzer abstrahlt und ihn als erfolgreichen Zeitgenossen ausweist, der sich von der Masse abhebt.

Für viele Menschen ist der Kauf eines neuen Autos in ihrem Leben die zweitgrößte Anschaffung gleich nach dem Erwerb einer Immobilie - also ist der Tag ein besonderer Tag, an dem der Wagen abgeholt wird.

Wer in Wolfsburg gesehen hat, welches Glücksgefühl bereits bei der Abholung eines VW Polo ausgelöst wird, der kann sich vorstellen, wie groß dann erst im Münchner Olympiapark die Begeisterung beim Empfang des neuen 5er sein muss.

Die Auslieferung der Ware Auto als Event - damit liegen die Autohersteller im Trend. Ein Ausflugstag in eine angenehme Umgebung aus freudigem Anlass ist zweifellos romantischer als der Posten "Überführung'' auf der Rechnung, für den ohnehin ein paar hundert Euro fällig werden würden.

Im Grunde befolgen BMW und die anderen jene Marketing-Regel, wonach man einen Kunden in seiner Kaufentscheidung unbedingt bestätigen sollte. Indem sie die Auslieferung selbst übernehmen, vermeiden die Hersteller das Risiko, dass der Kunde an einen im harten Wettbewerb defätistisch gewordenen Händler gerät, der seine Unzufriedenheit auf die werte Kundschaft übertragen könnte. Denn mit der steigenden Zahl von Werkstattbesuchen sinkt die Zufriedenheit, das ist ein ehernes Gesetz der Branche.

Auto-Kathedralen als Massenphänomen

Insofern erfüllen die neuen Kathedralen der Automobilindustrie eine wichtige Funktion für die jeweilige Marke und den Wert ihrer Produkte, wie er von den Verbrauchern wahrgenommen wird. Konsequenterweise sind weite Teile der Autohersteller in eine Bauwut verfallen.

Mercedes beschenkte sich und Stuttgart-Untertürkheim mit einem Museum. Porsche setzte eine Sporthalle in die Nähe und will ein Museum noch in diesem Jahr eröffnen. Audi betreibt ein Forum in Ingolstadt, wo der staunende Käufer bei der Übergabe seines Neuwagen schon mal vom Chef persönlich nach den ersten Eindrücken befragt wird.

Die Urmutter der automobilen Prachtbauten in Deutschland ist die Autostadt von Volkswagen. Sie gibt es seit der Weltausstellung 2000, und sie machte aus der verschlafenen Provinzstadt Wolfsburg eines der größten Touristenziele des Landes.

Keine Frage, genug Menschen haben die BMW Welt so dringend erwartet, dass sie ein Erfolg werden muss. Die Eröffnung fällt in eine Zeit, wo eine Rendite-Diskussion sich in die Länge zieht und selbst im Management nicht mehr alle sicher sind, dass "Freude am Fahren'' immer Freude am schnellen Fahren bedeutet. Da ist ein Ereignis, das allen Freude bereitet, nicht schlecht für BMW.

Wenn jemandem in der neuen Auto-Kathedrale von BMW ein Stuhl (griechisch kathedra) an hervorgehobener Stelle zustünde, dann wäre er für Eberhard von Kuenheim, 79.

Der BMW-Chef von 1970 bis 1993 hatte die Ambivalenz des Autos zwischen Fortbewegungsmittel und Statussymbol vor Jahren erkannt: "Das Automobil ist so erfolgreich, dass es nur einen wirklichen Feind hat, nämlich sich selbst. Seine massenhafte Verbreitung ist eine Herausforderung an die Zukunft des Straßenverkehrs.'' Insofern ist die BMW Welt mehr als nur eine Pilgerstätte für Fans PS-starker Autos.

© SZ vom 17.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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