Bio-Fisch:Garnelen ohne Antibiotika

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Fisch und Meerestiere aus konventioneller Zucht sind oft mit Schadstoffen belastet. Öko-Ware aus dem Wasser findet deshalb zunehmend Käufer - trotz deutlich höherer Preise.

Robert Lücke

Ob es den Forellen von Julio Domezain gutgeht, wer weiß. Domezain jedenfalls glaubt das und blickt beinahe liebevoll auf die langen schmalen Becken, in denen Zehntausende von Forellen schwimmen: Nebenan rauscht die Autobahn von Malaga nach Granada in Südspanien, nur noch übertönt vom Bach Riofrio, der mitten durch die Fischzuchtanlage fließt.

Die Domezains sind Fischzüchter in zweiter Generation, und aus ganz Spanien kommen am Wochenende Busse voller Menschen hierher, die in den Restaurants des gleichnamigen Dörfchens Riofrio die Forellen der Domezains essen.

Die Fische bekommen keinerlei chemische Zusätze ins Futter, erhalten Rinderhack und Trockenfutter mit Fleischanteil und Mehl ausschließlich aus Fischresten. Sind Domezains Fische einmal krank, kommt der Tierarzt und gibt die notwendige Medizin. "Aber nie vorsorglich, wie es viele andere Fischfarmer tun", sagt Domezain.

Bio-Fisch boomt in Deutschland, auch Domezain liefert seinen Fisch, geräuchert, frisch vakuumiert und gekühlt nach Deutschland. Zwar liegt der Bio-Marktanteil an den insgesamt etwa 387.000 Tonnen Fisch und Meeresfrüchte, die 2006 Deutschlands Haushalte kauften, nur bei 0,5 Prozent - aber er wächst, wie der Fischverzehr insgesamt auch. Mit 15,5 Kilo Fanggewicht pro Person aßen die Deutschen 2006 so viel Fisch wie noch nie. Ein besonderer Renner ist dabei Bio-Ware.

Mehr Platz für den Lachs

"Seit wir 2001 mit Bio-Fisch angefangen haben, gab es Steigerungen im dreistelligen Prozentbereich", sagt Andreas Kremer, Sprecher des Marktführers "Deutsche See" in Bremerhaven. Garnelen, Forellen, Doraden oder Lachs aus ökologischen Fischfarmen werden immer beliebter. Das bestätigt auch Fischfarmer Julio Domezain. Gerade schlitzt er einer getöteten Forelle den Bauch auf, entfernt die Eingeweide und wirft sie auf einen Fischberg.

Domezain exportiert seine Fische inzwischen in fünf Länder. Und bis auf die Tatsache, dass sie irgendwann in Butter oder Sahnesauce filetiert auf einem Teller landet, führt so eine Forelle ein ziemlich schönes Leben - anders als ihre Verwandten, die in Betonpools mit Schlachthausabfällen und altem Fischmehl gefüttert werden und Farbstoffe bekommen, nur damit ihr Fleisch schön rosa wird.

In der konventionellen Fischzucht steht vieles nicht zum Besten. So ist es auch bei den Verwandten der Forelle, den Lachsen. Sie werden vor den Küsten Skandinaviens, Irlands und Schottlands in intensiver Haltung dichtgedrängt in wenigen Monaten auf das Schlachtgewicht gemästet.

"Dabei schmecken Wild- und Bio-Lachse viel besser, intensiver, sind nicht so fett und weniger fischig. Sie schmecken einfach mehr nach Natur", sagt Helmut Thieltges, Drei-Sterne-Koch aus Dreis in der Eifel, der naturnah gezüchteten Lachs aus Schottland in seiner Küche zu "Schottischem Label-Rouge-Lachs auf Gemüsemelange mit Orangen-Pfeffer-Marinade" veredelt, die Portion zu 32 Euro.

Einen hohen Preis wert war Lachs nicht immer. Aquafarming, bei dem Fische in Gefangenschaft gezüchtet wurden, schien vor einigen Jahren die Lösung aller Probleme, wie etwa der drohenden Überfischung der Meere. Doch das täuschte.

Denn die Zuchtlachse und Garnelen bekamen Krankheiten und Parasiten, also gab man ihnen Antibiotika ins Futter. Bis zu einem Gramm pro Kilo war keine Seltenheit. Umweltschützer verspotteten den Käfiglachs als "Schwein der Meere", und die mit Lachsfarmen übersäten Fjorde Norwegens drohten zwischenzeitlich ökologisch umzukippen, weil sie voller Lachskot waren. Auch mit Pestiziden und Antibiotika belastete Garnelen aus Farmen in Südostasien schadeten dem Image der Aquakultur-Branche.

Für Fisch aus den Bio-Farmen, in denen deutlich strengere Regeln gelten, was den Einsatz von Medikamenten und Intensiv-Mastfutter angeht, muss der Kunde entsprechend tief in die Tasche greifen. Lachs kostet bei "Deutsche See" etwa viermal so viel wie normaler Zuchtlachs, generell sind es etwa 40 bis 50 Prozent mehr.

Warum das so ist, zeigt schon ein Blick ins Wasser: Bio-Lachs zum Beispiel wird vor der schottischen und irischen Küste weit weniger eng zusammengepfercht als seine Verwandten in der konventionellen Lachsmästerei. Pro Kubikmeter Wasser dürfen nur zehn Kilo Fisch leben, in konventioneller Haltung sind es manchmal 50 Kilo und mehr. Deswegen wird der Bio-Lachs auch nicht so leicht krank und muss nicht mit Medikamenten vollgepumpt werden, Hormone und Mittel gegen Fäulnis sind ebenso tabu.

Bei Forellen schreibt der Bio-Verband Naturland vor, dass die Tiere nur in Teichen mit Substraten, einer Art Bodenersatz, zu halten sind, damit die Fische dort nach Nahrung suchen können. Das Futter, neben Fischmehl auch Soja, Erbsenmehl, Weizen und Mais, hat der Züchter biologisch zu erzeugen. Bei Bio-Lachsen müssen die Erzeuger den Meeresgrund unter den Farmen regelmäßig untersuchen, ob dort nicht zu viel Kot und Futterreste vor sich hin faulen.

Will ein Betrieb Naturland-Lieferant werden, ist Stefan Holler am Zug. Der Aquafarming-Experte von Naturland erstellt mit seinem Kollegen vor Ort Umstellungspläne. Später überprüft eine unabhängige Institution, ob alle Regeln eingehalten werden: Erst dann wird aus einer Forelle eine Naturland-Forelle. Immer mehr Züchter lassen sich nach diesen Richtlinien zertifizieren, und den Verbrauchern scheint es zu schmecken. "Die Bio-Aquakultur ist mit jährlichen Steigerungsraten von 30 Prozent unser größter Wachstumsmarkt", sagt Holler.

Im Kommen: Bio-Bachforellen

Naturland verkauft inzwischen neben deutschen Forellen, Lachs aus Irland und Schottland, Shrimps aus Südamerika und Asien, Pangasius aus Vietnam, Rotem Trommler aus Israel und Tilapie aus Honduras auch kroatische und griechische Doraden. Bei einigen Arten beliefert Naturland auch den Marktführer "Deutsche See". Aber auch weniger edle Fische werden beliebter. So gibt es inzwischen Bio-Kabeljau aus Norwegen und Bio-Bachforelle aus der Lüneburger Heide.

Anfang des Jahres kamen Bio-Fischstäbchen auf den Markt, die das Verbrauchermagazin Öko-Test mit "sehr gut" bewertete. Neu ist der "Naturland Wildfisch", das ist zertifizierte Ware aus nachhaltiger Fischerei. Manche Arten lassen sich in Gefangenschaft nicht oder nur schwer gewinnbringend züchten - etwa der Hering, nach dem Alaska-Seelachs und noch vor dem Lachs der Deutschen beliebtester Speisefisch.

"Demnächst wird es Hering von kleinen Fischern geben, die ihre Netze in Küstennähe auslegen", sagt Naturland-Fachmann Holler. "Das wird direkt der jeweiligen Bevölkerung zugute kommen und nicht riesigen, anonymen Fangflotten auf hoher See."

© SZ vom 22.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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