Bieterkampf um Air Berlin:Angst vor dem Monster

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Die Angebotsfrist ist abgelaufen: Für die insolvente Air Berlin gibt es mehrere Interessenten. Einer der Favoriten ist Lufthansa. Kehrt das alte Monopol mit hohen Preisen in Deutschland zurück?

Von Caspar Busse und Jens Flottau

An diesem Freitag endete die Angebotsfrist für die Reste der insolventen Air Berlin. Es gebe mehrere Interessenten, sagte ein Sprecher. Als Favorit gilt Lufthansa, die nach eigenen Angaben eine Offerte abgab, ohne Details zu nennen. Konzernchef Carsten Spohr bietet angeblich für 70 bis 90 der gut 140 Maschinen einen niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag. 38 von Air Berlin gemietete Flugzeuge wurden aber bereits übernommen, mehr als die Hälfte davon sogar von Leasingunternehmen gekauft. Weiter auf der Liste: Der Ex-Rennfahrer Niki Lauda zusammen mit der Thomas-Cook-Tochter Condor, der Nürnberger Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl, Utz Claassen, Billigflieger Easyjet, die Berliner Logistikfirma Zeitfracht. Ein Interessent aus China erhielt Fristverlängerung. Am Tag nach der Bundestagswahl wollen die Gläubiger dann entscheiden, wer den Zuschlag erhalten soll. Gerechnet wird mit einer Zerschlagung von Air Berlin, sodass voraussichtlich mehrere Bieter zum Zug kommen, darunter Lufthansa.

Kommt am Ende das alte Monopol der Lufthansa wieder, das einst durch die Deutsche BA (später in Air Berlin aufgegangen) gebrochen wurde? Wird das ehemalige Staatsunternehmen also das Monster, das dann die Preise nach Belieben erhöhen kann? Die Gefahr besteht - immerhin. Aber es spricht einiges dagegen: Zum einen nimmt der Druck von Billig-Airlines wie Ryanair, Easyjet und anderen in Deutschland weiter zu, sie eröffnen immer neue Strecken. Zum anderen werden die Kartellbehörden den Fall Air Berlin genau prüfen, Vorgespräche laufen schon, sagen Insider. "Die zuständige Behörde - voraussichtlich die Europäische Kommission - wird sich sehr genau ansehen, welche Auswirkungen die jeweiligen Übernahmepläne auf den Wettbewerb hätten", sagt Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts. Geprüft werden müssen dabei die Folgen für jede einzelne Verbindung. Der Marktanteil der Lufthansa-Gruppe wird beim Flugverkehr innerhalb Deutschlands und mit Europa jetzt schon auf 50 Prozent geschätzt. "Es ist wichtig, dass die Behörden da genau hinschauen. Sie dürfen nicht zu großzügig sein", mahnt Achim Wambach, der Chef der Monopolkommission, die die Bundesregierung in Wettbewerbsfragen berät.

Lufthansa – und sonst? Noch ist unklar, welche Teile von Air Berlin sich der Ex-Monopolist sichern kann. (Foto: Federico Gambarini/dpa; Collage: SZ)

Grundsätzlich sind die Ticketpreise in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken. Die Gründe liegen neben dem schwachen Ölpreis im verschärften Wettbewerb durch Billig-Fluglinien, zu denen Lufthansa-Tochter Eurowings gehört, und arabische Anbieter. "Über 23 Prozent aller Flüge ab Deutschland sind Low-Cost-Verbindungen", stellt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) fest. Diese böten Einfach-Flüge zu einem durchschnittlichen Bruttopreis zwischen 44 und 105 Euro an. Die traditionellen Fluggesellschaften liegen teilweise deutlich darüber. Billig-Airlines, die zudem oft mit Zusatzgebühren arbeiten, bieten weniger Service für Passagiere und schlechtere Arbeitsbedingungen und Löhne für Mitarbeiter.

Konkurrenz soll also für niedrige Ticketpreise sorgen. Teuer kann es nämlich werden, wenn eine Strecke nur von einer Fluggesellschaft betrieben wird. Von Münster nach München beispielsweise flogen lange Lufthansa und Air Berlin, 2013 haben sich die Berliner verabschiedet, weil es nicht rentabel genug war. Seitdem sei der Preis im Durchschnitt um 60 Prozent gestiegen, klagt der Geschäftsreiseverband VDR. Oder die Tickets auf der Strecke München - Zürich, die nur von Lufthansa und der Tochter Swiss bedient wird. Sie sind teurer als etwa die für Frankfurt - London, wo harter Wettbewerb besteht.

Entscheidend sind in Deutschland die attraktiven Strecken mit hohem Aufkommen, also von Berlin nach München, Köln oder Düsseldorf oder zwischen Hamburg und München. Hier könnte die EU-Kommission Auflagen machen, damit es ausreichend Konkurrenz gibt. Dann müssten Flugrechte an Konkurrenten abgegeben werden. Zudem entsteht neue Konkurrenz: Von Dezember an dauert die Bahnfahrt von München nach Berlin nur noch vier Stunden, fast so schnell wie der Flug.

Das wertvollste sind die Start- und Landrechte an den überfüllten Flughäfen

Das wertvollste an der insolventen Air Berlin sind ohnehin nicht die rund 8000 Mitarbeiter oder die 140 Flugzeuge (die nicht mehr Air Berlin gehören), sondern die sogenannten Slots, also die Start- und Landrechte an den meist völlig überfüllten deutschen Flughäfen. Air Berlin und die Tochter Niki verfügen über etwa zwölf Prozent aller Slots in Deutschland, in Berlin-Tegel sind es sogar bis zu 50 Prozent. Die Rechte werden alle sechs Monate vom Flughafenkoordinator der Bundesrepublik Deutschland, der dem Bundesverkehrsministerium untersteht, vergeben. Die Airline darf dabei grundsätzlich ihre Slots behalten, wenn sie diese in der Vorperiode zu mindestens 80 Prozent genutzt hat. Das heißt: Wer diese lukrativen Rechte einmal besitzt, kann sie auf ewig behalten. Das macht sie besonders attraktiv.

In Verhandlungskreisen heißt es, dass die möglichen Käufer, nachdem sie unterschrieben haben, auch das wirtschaftliche Risiko für Air Berlin tragen. Das heißt, sie müssen den Flugbetrieb der insolventen Airline etwa zwei Monate lang aufrechterhalten. Derzeit verliert Air Berlin etwa drei bis vier Millionen Euro - pro Tag. Bis Ende Oktober soll der Überbrückungskredit der Bundesregierung in Höhe von 150 Millionen Euro reichen. Zwar hat Air Berlin angekündigt, Ende September rund zwei Drittel aller Langstreckenverbindungen zu streichen, um die Verluste einzudämmen. Der wilde Pilotenstreik verschreckte aber viele Kunden. Wer bucht eigentlich noch Air Berlin? Kann sich das Unternehmen noch lange genug über Wasser halten?

Auf jeden Fall wird Air Berlin, die einst zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft und der harte Konkurrent der Lufthansa, vom Markt verschwinden. Branchenkenner glauben, dass am Ende die Airlines zumindest vorerst deutlich weniger Kapazität im deutschen Markt anbieten könnten. Etwa 40 bis 50 Flugzeuge weniger werden dann nach Schätzungen von den Unternehmen voraussichtlich auf den deutschen Flughäfen eingesetzt.

Es wird also spannend. Nett wird es bei dem Geschacher nicht zugehen. Und Ryanair-Chef O'Leary bietet zwar nicht mit, könnte am Ende aber profitieren.

© SZ vom 16.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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