Bhutan:Rauchfrei ins Bruttosozialglück

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In einem religiösen Feldzug hat Bhutans König das strikteste Tabakverbot der Welt durchgesetzt - Abstinenz, die nicht allen einleuchtet.

Von Manuela Kessler

Der Weg zur Erleuchtung war lange Zeit stark vernebelt. Statt sich um die edlen Wahrheiten zu kümmern und so irgendwann das Nirvana zu erreichen, frönten die Menschen in Bhutan der profanen Nikotinsucht.

Bhutans König Jigme Singye Wangchuk (Foto: Foto:)

Das war zwar schlecht für ihr Karma, aber gut für das Bruttosozialprodukt. Allerdings hatten die Untertanen im Himalaya-Reich zwischen Indien und China ihren König Jigme Singye Wangchuck wohl missverstanden. Denn dem ging es eher um das "Bruttosozialglück", das sei viel wichtiger als schnöder Mammon, erklärte der Herrscher bei seiner Krönung 1974.

Das Ausland nahm diese Weltsicht verwundert zur Kenntnis und der Herrscher kümmerte sich unterdes weiter um das Seelenheil seines Volkes. Seit Anfang des Jahres ist der König nun dem Bruttosozialglück wieder ein Stückchen näher gekommen, so sieht er es jedenfalls.

Spirituelle Werte statt weltlicher Sucht

Um seine Untertanen von irdischen Geißeln zu befreien, hat er das strikteste Nikotinverbot der Welt erlassen: Zigaretten dürfen in Bhutan seit Jahresbeginn nicht mehr verkauft werden, das Rauchen in der Öffentlichkeit ist seit März tabu.

Buddhistische Mönche singen den 735.000 Einwohnern im "Reich des Donnerdrachens" (so heißt Bhutan übersetzt) nun noch lauter das Mantra, dass die Erfüllung in spirituellen Werten liegt und nicht in weltlicher Sucht.

Gleichwohl verdient der Staat an der rauchfreien Glückszone gut mit: Untertanen, die ihre Tabakwaren aus dem Ausland besorgen, müssen bei der Einfuhr eine hundertprozentige Einfuhrsteuer bezahlen. Im Land selbst wird kein Tabak angebaut. Wer Zigaretten verkauft, muss mit einer Strafe von umgerechnet 175 Euro rechnen. Bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen in Bhutan von neun Euro ist das empfindlich viel Geld.

Der König raucht Kette

Alles kein Problem für die Bhutaner, jedenfalls, wenn man dem Gesundheits-Staatssekretär des Landes, Sangay Thinley, glaubt. "Es gab keinen Widerstand, die meisten Menschen sind sehr glücklich über das Verbot", erklärte er Anfang des Jahres ganz begeistert.

Ob Sangay Thinley damit auch Ihre Majestät meint, ist nicht überliefert. Denn bei der klappt der Ausgleich von Geist und Körper nicht so ganz: Der König, der mit vier Schwestern verheiratet und Vater von zehn Kindern ist, raucht Kette.

Das allerdings hält den Herrscher nicht davon ab, Zigarettengenuss in seinem Land zur Sünde zu erklären und den Klerus zu einem religiösen Feldzug zu mobilisieren. Kritische Zeitgenossen mögen es in das Reich der frommen Legenden verbannen, dass der Mönchskönig, der Bhutan gründete, im Jahre 1629 bereits das erste Tabakverbot der Welt verhängt haben soll, das laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis heute gilt. Demnach ist Rauchen in religiösen Stätten untersagt.

Bhutan soll "leuchtendes Vorbild" sein

Der Mann, der fernab seiner Familie in Askese in einer kargen Blockhütte lebt und morgens immer mit einem Jeep zu seinem Regierungssitz, der über Thimphu thronenden Klosterburg, fährt, verrät allerdings nicht, wie viel Zigaretten er am Tag so raucht.

Der indischen Zeitung The Asian Age gestand er jüngst seine geringe Eignung zum Vorbild: "Ja, ich bin Raucher." Heimlich fröhne er weiterhin der Sucht.

Das Quantum seines Tabakkonsums werden Menschen außerhalb seines Reichs kaum erfahren. Bhutan ist trotz der Aufnahme in die Vereinten Nationen 1971 weitgehend isoliert. Ausländische Journalisten durften erstmal 1974 zur Krönung von König Jigme Singye Wangchuck ins Land, der Besuch von Touristen ist reglementiert.

Die Anti-Nikotin-Kampagne wirkt trotzdem - nach außen jedenfalls. Die Weltgesundheitsorganisation spendet großzügigen Applaus für das Verbot im Dienste der Gesundheit. "Ein leuchtendes Vorbild", erklärt der bhutanische König feierlich, "wollen wir allen anderen Ländern sein."

Rauchschwaden des Widerstands

Seine bhutanischen Untertanen heißen ihn ehrfurchtsvoll einen "Erleuchteten", ausländische Entwicklungspolitiker und Umweltschützer nennen ihn begeistert einen "Visionär", während die im Exil lebende Opposition ihn einen "Öko-Diktator" schimpft. Die Opposition besteht hauptsächlich aus Nepalesen, die einst zwei Fünftel der Bevölkerung Bhutans stellten.

Der schöne Schein ist trügerisch, eine Fata Morgana in der dünnen Höhenluft Bhutans. Denn der Widerstand gegen das königliche Diktat formiert sich in immer stärker werdenden Rauchschwaden.

Wenn sich die Nacht über die Hauptstadt Thimphu senkt, wird in den einschlägigen Bars gequalmt, was das Zeug hält. Ein blühender Schwarzmarkt ist in den vergangenen Wochen herangewachsen auf dem Dach der Welt. Das Rauchverbot brachte die Nation nicht zur Vernunft. Doch völlig benebelt hat der Dunst offenbar auch Seine Majestät noch nicht: Ein Rauchverbot in den eigenen vier Wänden ist noch nicht geplant.

© SZ vom 12.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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