Bezahlen in aller Welt:Wofür man Bares braucht

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In vielen Ländern verschwinden Münzen und Scheine langsam. Das hat vielfältige Folgen.

Von Nils Wischmeyer und Felicitas Wilke, München

Im ersten Augenblick sieht der Kollektomat aus wie ein in Holz verpackter Geldautomat. Nur steht er nicht an einer Straße, sondern mitten in einem Gotteshaus. Im Dom von Uppsala in Schweden hat der Kasten mit dem Kartenlesegerät einen festen Platz. Geld abholen wird hier niemand, spenden aber sehr wohl. Die Gläubigen und Touristen überweisen dort per Kreditkarte kleine Beträge an die Kirche. Was für die Deutschen mit ihren Klingelbeutel fremd klingt, ist in Schweden bereits seit mehr als zehn Jahren Alltag. Der Dom in Uppsala ist nicht die einzige Kirche in Schweden, die einen Kollektomaten besitzt.

Das Bargeld ist in einigen Teilen dieser Welt auf dem Rückzug. In den Ländern im Norden Europas etwa wird schon heute ein Großteil aller Transaktionen mit der Kreditkarte oder mit dem Smartphone erledigt. Nur noch ein Viertel der Schweden nutzt mindestens einmal pro Woche Bargeld, um Rechnungen zu begleichen. Anders als in manchen Restaurants und Kneipen hierzulande wundert sich dort kein Kellner, wenn die Kundin ihr Smartphone oder die Kreditkarte zückt - sondern eher, wenn sie bar bezahlen möchte.

6000 Kilometer östlich zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. In China bezahlen die Menschen heute fast alles mit dem Smartphone. Über die Apps Alipay oder WeChatPay werden dort jedes Jahr große Summen transferiert. Alipay, die Bezahl-App von Alibaba, nutzen weltweit etwa 400 Millionen Nutzer, WeChat Pay aus dem Hause Tencent sogar rund 600 Millionen. Zum Vergleich: Apple Pay kommt nicht einmal auf 90 Millionen Kunden.

Was viel nach Zukunft klingt und oft auch komfortabel ist, bringt allerdings auch Nachteile mit sich. In Schweden fürchtet die Regierung, dass die Entwicklung hin zum mobilen Bezahlen so schnell vonstatten geht, dass am Ende die nötige Infrastruktur für Bargeldzahlungen wegbricht. Viele ältere Menschen, die kein Smartphone haben, könnten dadurch Probleme bekommen.

Und es gibt sie ja, die Gründe für das Bargeld. Klaus Müller, der Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband, bezeichnete es mal als "gelebten Verbraucherschutz". Denn wer mit der Kreditkarte oder dem Handy bezahlt, lässt mindestens ein, manchmal auch mehrere Unternehmen wissen, wo und was er einkauft. Diese Informationen nutzen die Konzerne, um die Kunden noch besser kennen zu lernen und damit Geld zu verdienen. Dass sich mobile Bezahldienste in Deutschland bislang kaum durchgesetzt haben, hat auch damit zu tun, dass die Menschen hierzulande sehr viel mehr Wert auf den Schutz ihrer Daten legen als etwa in Skandinavien.

Für das Bargeld spricht auch, dass es vielen Menschen mit Münzen und Scheinen leichter fällt, den Überblick über die Ausgaben zu behalten. Allerdings können dabei auch heute schon schlaue Apps helfen.

© SZ vom 22.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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