Bewertung:Wichtigster Faktor: die Lage

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Der Preis einer Immobilie hängt auch vom Betrachter ab. Eine Altbauwohnung in München erzielt mitunter Liebhaberwerte. (Foto: Frank Leonhardt/dpa)

Ausstattung, Bausubstanz, Lage: Worauf Gutachter bei der Wertermittlung von Immobilien achten müssen.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Wer sich ein Bild vom Haus- und Wohnungsmarkt machen will, stellt rasch fest, dass die Preise häufig völlig intransparent sind. Klar, richtet sich der Preis nach Angebot und Nachfrage. Auch die Hypothekarzinsen spielen dabei eine Rolle. Doch manche Objekte erzielen Liebhaberpreise, die deutlich über ihrem tatsächlichen Wert liegen. Wie viel wert ist also eine Immobilie?

In Paragraf 194 des Baugesetzbuches ist zwar geregelt, wonach sich der Verkehrswert einer Immobilie bemisst. Demnach richtet sich der Marktwert nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der Beschaffenheit und der Lage des Objekts, ohne ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen. Für den Laien ist dies aber oft schwer zu bestimmen. "Jede Immobilie ist ein Unikat, daher sollte man zur Wertermittlung unbedingt den Rat von Experten einholen", meint Michael Ostermaier vom Dienstleister Eigenwert in München.

Wer sich für eine professionelle Bewertung entscheidet, kann zwischen verschiedenen Varianten wählen. "Es kommt immer darauf an, wofür man die Immobilienbewertung braucht. Bei einem Erbstreit vor Gericht oder einer Schenkung ist oft ein ausführliches und relativ teures Wertgutachten eines neutralen Sachverständigen notwendig. Für einen Käufer, der mehrere Immobilien anschaut, und sich rasch entscheiden muss, gibt es bessere Möglichkeiten", sagt Jörg Sahr, Redakteur der Zeitschrift Finanztest.

Immobilienportale wie Immoscout24 oder Immowelt bieten Online-Bewertungen für wenig Geld. Dazu müssen die Daten von Wohnung oder Haus in ein Formular eingetragen werden und das System liefert umgehend eine Objektschätzung. Diese basiert im Wesentlichen auf Vergleichsimmobilien in den Datenbanken. Die Tragfähigkeit einer solchen Berechnung ist jedoch begrenzt. "Die individuellen Besonderheiten eines Grundstückes wie Lage oder Wegerecht berücksichtigen die im Hintergrund genutzten Datenbanken nicht. Ohne Besichtigung hat man keine Chance, den richtigen Verkehrswert zu kennen", sagt Bernhard Bischoff, vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken. Für Standardangebote liefert das System realistische Werte. Geht es allerdings um ein Liebhaberstück mit hochwertiger Ausstattung, können die Portale wenig helfen.

Bei Scheidung oder Erbschaft ist ein vereidigter Sachverständiger nötig

Basis eines Gutachtens ist die Besichtigung durch einen Fachmann. "Wichtigstes Kriterium zur Wertermittlung einer Immobilie ist die Lage. Darüber hinaus wirken sich eine hochwertige Ausstattung, die Qualität der Bausubstanz sowie eine Flexibilität im Grundriss wertsteigernd aus", sagt Ostermaier. Für eine aktuelle Marktpreiseinschätzung benötigt ein Makler von Eigenwert, der Immobilientochter der Münchner Bank, vom Anruf bis zur fertigen Bewertung maximal zehn Tage. Der Preis ist abhängig von der Objektgröße. "Mündliche Beratung durch einen Experten mit Besichtigung gibt es mitunter schon ab 100 bis 150 Euro. Ein schriftliches Kurzgutachten kostet schon einige Hundert Euro, ist aber bei 400 000 Euro Kaufpreis für eine Wohnung gut investiertes Geld", sagt Sahr.

Neben Maklern, die häufig nicht ganz unparteiisch agieren, erstellen Immobilien-Sachverständige Kurzgutachten. Doch nicht jeder, der sich Sachverständiger nennt, ist auch wirklich kompetent. Neben öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen garantiert eine Zertifizierung nach DIN EN ISO/IEC 17024 die entsprechende Ausbildung. Bei einer Besichtigung erhalten Kunden auch Tipps zu Renovierungen und Erneuerungen. "Unterlassene Instandhaltungen sollten nachgeholt werden, bevor eine Veräußerung erfolgt, denn in diesen Fällen können die Kosten deutlich geringer sein, als es der Effekt beim Verkehrswert ist", sagt Bischoff.

Vermeintlich wertsteigernde Investitionen sollte man aber unterlassen. Maßnahmen wie Wärmedämmungen oder der Austausch von Fenstern bringen oft deutlich weniger, als sich der Verkäufer davon erhofft. "Solange eine Immobilie in einem wohnlichen Zustand ist, raten wir davon ab, vor dem Verkauf gezielt zu investieren, um den vermeintlichen Verkaufserlös zu steigern. Den Geschmack des Käufers zu treffen ist schwierig, und daher lohnen sich diese Mehrkosten in der Regel nicht", sagt Ostermaier.

Den Wert eines Eigenheims zu kennen ist erforderlich, wenn die Immobilie aufgrund einer Scheidung, Erbschaft, Vermögensaufteilung sowie Zwangsversteigerung den Besitzer wechselt. In diesen Fällen können nur öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige tätig werden. Nur diese haften für die Richtigkeit ihrer Angaben. Für ein gerichtsfähiges Verkehrswertgutachten unterzieht der Experte die gesamte Immobilie einer genauen Prüfung, erhebt den energetischen Zustand und vorliegende Schäden und beurteilt die Lage sowie ihr Potenzial. Die Erstellung des bis zu 50 Seiten starken Gutachtens dauert meist einige Wochen. Der Preis ist abhängig vom Aufwand und dem Objektwert, detaillierte Infos gibt es bei den Berufsverbänden.

"Ein Honorar von zwei- bis dreitausend Euro für ein Wertgutachten eines Sachverständigen ist vielen Menschen zu teuer. Tatsächlich zahlen sie für einen Makler viel mehr", sagt Bischoff. Wer seinen Immobilienkauf durch einen Kredit finanzieren will, muss - unabhängig von der selbst in Auftrag gegebenen Schätzung - die Bewertung des Objektes durch die Bank prüfen lassen. Gleiches gilt bei abgelaufener Zinsbindung bestehender Darlehen, die verlängert werden sollen. Für Banken ist der Beleihungswert der Immobilie entscheidend, der in der Regel zehn bis zwanzig Prozent unter dem aktuellen Marktwert liegt.

Eine Kreditzusage ist mit Vorsicht zu behandeln. "Nur weil eine Bank eine Immobilie finanziert, heißt das noch nicht, dass sie ihr Geld wert ist. Für die Bank spielt nicht nur der Immobilienwert, sondern auch die Bonität des Kunden eine Rolle. Da wird auch schon mal ein Kredit vergeben, obwohl er durch den Wert der Immobilie gar nicht gedeckt ist", sagt Finanztest Experte Sahr.

© SZ vom 05.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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