Bespitzelung bei Tönnies:Durchblick in der Fleischfabrik

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Clemens Tönnies lässt nach den Bespitzelungs-Vorwürfen die Kameras in den Umkleidekabinen der Mitarbeiter abmontieren. Doch ansonsten geht es in der Fleischbranche hart zu.

Dirk Graalmann

Es war keine schöne Woche für Clemens Tönnies. Am Montag strahlte das ARD-Magazin Report einige Bilder von Überwachungskameras aus, die Mitarbeiter seiner Fleischfabrik beim Umziehen zeigten.

Es war eine Fleischbeschau der unappetitlichen Sorte. Am Mittwoch musste Tönnies dann mitansehen, wie sein Fußballklub, der FC Schalke 04, in Barcelona aus der Champions League schied.

Nun beginnen die Aufräumarbeiten. Am Freitag sollten die Kameras in den Räumen entfernt werden. Tönnies ist da sehr pragmatisch.

Das lernt man in diesem Metier. In der heiß umkämpften Fleischbranche geht es ruppig zu. Der Markt ist eng, die wenigen Großkonzerne beharken sich im Zweifel auch mit unlauteren Methoden, gegenseitiges Anschwärzen bei Staatsanwaltschaften inklusive. Das zumindest glaubt Tönnies.

Besuch von der Staatsanwaltschaft

Im September bekam sein Unternehmen Besuch von der Staatsanwaltschaft. Es war nicht die erste Hausdurchsuchung. Einer der Vorwürfe: illegale Arbeitnehmerüberlassung. Kritiker sehen in der Fleischbranche schon seit langer Zeit einen Hort von illegaler Beschäftigung, Ausbeutung und fragwürdigen Methoden.

Es geht zumindest hart zu. Er müsse mit "Zehntel-Cents rechnen", sagt Tönnies gern. Dabei ist einiges zusammengekommen. Das Unternehmen setzt knapp drei Milliarden Euro pro Jahr um, beschäftigt an vier Standorten knapp 5000 Arbeitnehmer und ist mit rund 11 Millionen geschlachteten Schweinen die deutsche Nummer eins.

"Harte Maloche"

1971 hatte sein älterer Bruder Bernd mit zwanzig Mann angefangen. Clemens Tönnies erzählt gern die Geschichte des kleinen Jungen aus einfachen Verhältnissen im ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück. Sein Vater war Metzger, hatte einen eigenen kleinen Betrieb. "Sieben Schweinchen die Woche" habe der geschlachtet.

Sie waren sechs Kinder, mit dem Drang nach oben. "Wir wollten richtig was auf die Beine stellen", erzählte der bekennende Ehrgeizling einst. "Es hat durch harte Maloche funktioniert." Ein schnöseliger Emporkömmling ist Clemens Tönnies dennoch nicht geworden. Er machte eine Ausbildung zum Fleischtechniker, stieg in den Betrieb seines Bruders Bernd (Spitzname Kotelett-Kaiser) ein.

Das Geschäft wuchs, die Firma expandierte, sein Bruder widmete sich der zweiten großen Leidenschaft: dem FC Schalke 04. Auf Drängen von Jürgen Möllemann wurde Bernd Tönnies 1994 zum Präsidenten des damals maroden Klubs gewählt. Nur fünf Monate später verstarb er an einem Nierenleiden.

Auf dem Sterbebett, erzählt Clemens Tönnies in vertrauter Runde, habe ihn der Bruder gebeten, sein Werk fortzuführen. "Kümmer' dich um Schalke". Der kleine Bruder hielt Wort und rückte kurz danach in den Aufsichtsrat, dem er inzwischen auch vorsitzt.

Seither zieht Tönnies im Hintergrund die Strippen und fädelte etwa den Millionen-Deal mit dem russischen Energieriesen Gazprom als Hauptsponsor ein. Dem Klub ging es nicht immer so gut. Als der FC Schalke zwischenzeitlich klamm war, lieh Tönnies dem Verein 4,7 Millionen Euro. Ohne Sicherheiten. Dafür soll das Darlehen mit sechs Prozent verzinst worden sein. Rechnen kann Tönnies.

© SZ vom 12.04.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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