Bescheid wissen:Warum Reichtum nicht zufrieden macht

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Die Datenbank des Glücks - es gibt sie tatsächlich. Und sie offenbart: Jeder zusätzliche Dollar kauft uns ein Stück weniger vom Glück.

Philip Wolff

Mit Logik ist das kaum zu erklären. Da geht es den Bewohnern der westlichen Industrienationen seit Jahrzehnten immer besser, manchmal haben sie mehr Geld in der Tasche und zunehmend gute Perspektiven, aber ihre Stimmung kommt nicht in Schwung.

Ein glücklicher Bergmann der Steinkohlezeche Prosper-Haniel bei Bottrop. (Foto: Foto: dpa)

Im Gegensatz zu den steigenden Einkommen hat sich die Zufriedenheit der Menschen weltweit bei nahezu gleichbleibenden Werten eingependelt, seitdem Forscher diese erheben und in der Weltdatenbank des Glücks an der Universität Rotterdam sammeln.

Homo un-oeconomicus?

Ganz offensichtlich will sich der Mensch einfach nicht so rational verhalten, wie Wirtschaftswissenschaftler es vom homo oeconomicus erwarten: Dessen Lebensglück müsste sich, theoretisch, an den Indikatoren seines Wohlstands messen lassen.

Aber dem ist nicht so. Stattdessen erklingt ein immerwährendes Gejammer. Warum? "Weil Wohlstand nicht automatisch zufriedener macht", erklärt der Psychologe Daniel Kahneman von der Universität Princeton, der für seine Erforschung dieses ökonomisch unsinnigen Verhaltens im Jahr 2002 den Wirtschaftsnobelpreis erhalten hat. Er findet für das Phänomen eine weitreichende Erklärung.

Demnach steigert allgemeiner Wohlstand die Lebenszufriedenheit des Einzelnen nicht, weil es sich nur um einen relativen Wert handelt: "Wenn alle Menschen um einen herum ihren Besitz mehren, nimmt man den eigenen Fortschritt kaum wahr", sagt er.

Das heißt aber auch: Der Aufschwung einer nationalen Wirtschaft sagt nichts über die Zufriedenheit ihrer Mitglieder aus. Auf einer Skala von null (vollkommen unzufrieden mit dem eigenen Leben) bis zehn (vollkommen zufrieden) gibt der Durchschnittsdeutsche seit Jahren Werte im besseren Mittelfeld an (zuletzt 6,6), etwas weniger als der Amerikaner (7,25) und der Däne (8,07), aber in etwa dasselbe wie seine Nachbarn in Frankreich und Italien.

Gefesselt vom Angenehmen

Würde er sie überholen, müsste es ihm dann nicht ein wenig besser gehen als den anderen? Nein, denn auch ein kometenhafter Aufstieg bringt laut Kahneman nicht das große Glück.

Dagegen stehe selbst bei Lottogewinnern der Gewöhnungseffekt: "Man kann sich nicht ständig darauf konzentrieren, reich zu sein. Irgendwann ist auch ein prächtiges Haus der Normalzustand. Und ich kann mir zwar ein tolles Auto kaufen, aber ich fahre jeden Tag damit und denke am Steuer an etwas anderes", sagt der Psychologe.

Deshalb erhöhe Reichtum auch nicht die Anzahl glücklicher Momente im Leben, nach denen Kahneman und seine Kollegen regelmäßig ausgewählte Testpersonen befragen. Im Gegenteil: "Je größer der berufliche Erfolg, desto mehr dominieren Momente schlechter Stimmung den Alltag. Weil man zum Beispiel weitere Wege im Auto zurücklegen muss", sagt Kahneman.

Im Ergebnis schnurrt die Antwort darauf, wie Wohlstand zu mehr Glück führen könnte, auf eine einfache Regel zusammen: "Alles, was die Aufmerksamkeit an etwas Angenehmes fesselt, macht glücklich. Man sollte sein Geld also nicht für eine große Sache, sondern lieber für kleine Dinge ausgeben", rät Kahneman den Konsumenten.

Unterschiedliches Einkommen - gleiches Glück

So gesehen wäre großer Reichtum auch im Bewusstsein des Einzelnen ebenso belanglos, wie er für die allgemeine Zufriedenheit ohnehin zu sein scheint: "In den Industrienationen sind Leute mit einem durchschnittlichen Einkommen genauso glücklich wie sehr wohlhabende Menschen", sagt der Chefwissenschaftler der Weltdatenbank des Glücks, Ruut Veenhoven.

Nur bis zu einem leicht unterdurchschnittlichen Monatseinkommen steige die Lebenszufriedenheit parallel mit dem Verdienst. Diese Beobachtung erklärt Kahnemans Forscherkollege Daniel Gilbert von der Harvard-Universität so: "Der erste Dollar kauft dir ein Stück vom Glück. Und jeder weitere kauft dir ein Stück weniger."

© SZ vom 21.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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