Berliner Flughäfen:Ins Herz der Hauptstadt

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Gähnende Leere am unvollendeten Flughafen BER. Bis er fertig ist, bleibt Tegel in Betrieb. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Die Berliner streiten mit vielen Emotionen über den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel. Der Senat lehnt das ab.

Von Jens Schneider, Berlin

Diesen Streit dürfte es gar nicht geben. Denn Berlins alter Flughafen Tegel sollte längst geschlossen sein. Statt dessen wird in der Hauptstadt um so heftiger um seine Zukunft gestritten. Es geht um Zahlen, Gesetze und Versprechen, aber auch um Emotionen. "Auf das Herz dieser Stadt wollen Sie nicht hören", attackiert Berlins FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja den rot-rot-grünen Senat. Die Hauptstadt brauche Tegel. "Gewiss, viele Menschen hängen an Tegel", sagt die Grünen-Faktionschefin Antje Kapek. Aber die Zeit dieses Flughafens sei abgelaufen. "Gönnen wir ihm seine wohlverdiente Rente!" Am 24. September sollen die Berliner in einem Volksentscheid befinden, ob der Flughafen offen bleiben soll - für immer, also auch nach der Eröffnung des BER.

Wäre in der Hauptstadt alles nach Plan gelaufen, stünden auf dem Gelände des alten Flughafens Tegel heute längst neue Wohnblöcke. Daneben würde ein Technologiepark errichtet. In der boomenden Hauptstadt wird der Platz knapp, die 460 Hektar sind ein attraktiver Standort. Flugzeuge würden keine mehr starten und landen. Laut Plan hätte der mehr als vierzig Jahre alte Flughafen Tegel vor viereinhalb Jahren schließen müssen -spätestens ein halbes Jahr nach der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens BER. Doch dessen Start wurde im Juni 2012 abgesagt, seither mehrmals verschoben, einen neuen Eröffnungstermin gibt es nicht.

Zu teuer, zu gefährlich und eine Zumutung für die Menschen, erklärt die Wirtschaftssenatorin

Dafür haben offenbar viele Berliner ihre Leidenschaft für den alten Flughafen entdeckt, der während der Teilung Berlins eine Brücke in die Welt war. Das Stück Berliner Geschichte wird auch geschätzt, weil es nahe am Zentrum liegt und kurze Wege hat. Die Branche verfolgt die Debatte aufmerksam. "Wenn Tegel offen bleibt, kann man aus dem BER ein Museum machen", sagte jetzt Thomas Winkelmann, Chef von Air Berlin, der Zeit. "Wir werden dann mit Air Berlin in Tegel bleiben".

Die Befürworter des Weiterbetriebs führen an, dass der BER schon bei seiner Eröffnung zu klein sein wird. So flogen im vergangenen Jahr 33 Millionen über Tegel und den alten Schönefelder Flughafen von und nach Berlin. Die Kapazität des BER liegt darunter. Darauf bereitet man sich am BER freilich vor, es sollen zusätzliche Terminals entstehen.

Der Senat lehnt den Weiterbetrieb ab. Der wäre zu teuer, zu gefährlich und eine Zumutung für die Menschen rundherum, erklärte Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) im Abgeordnetenhaus. Im Umkreis von Tegel leiden 300 000 Menschen mitten in der Stadt unter Fluglärm, so viele wie an keinem anderen Flughafen in Europa. Zudem wäre der Flughafen im jetzigen Zustand nicht genehmigungsfähig. "Tegel ist in einem erbarmungswürdigen Zustand", erklärt Pop, die auch daran erinnert, dass wegen der Gefahr von Flugzeugabstürzen überall außerhalb der Städte gebaut werde.

Vor allem führte Pop rechtliche Gründe an. Der BER ist nur unter der Bedingung genehmigt worden, dass die anderen Berliner Flughäfen geschlossen werden. Mit der Umsetzung des Volksentscheids "würde Berlin das unkalkulierbare rechtliche Risiko eingehen, gar keinen funktionsfähigen und genehmigten Flughafen mehr zu haben", warnt Pop. Es könnte neue Klagen gegen den BER geben, aber auch gegen Tegel: "Zum Schluss stünde Berlin gänzlich ohne Flughafen da." Unsinn, sagen die Tegel-Fans. Doch damit hat der Streit Züge einer Phantom-Debatte. Zwar deuten Umfragen darauf hin, dass der Senat den Volksentscheid verlieren wird. Aber er wird ans Ergebnis nicht gebunden sein - und sieht für den Verzicht auf die Schließung rechtlich keinen Spielraum.

© SZ vom 23.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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