Beratung:Hilfe für Volkswagen

Lesezeit: 3 min

Im Manipulations-Skandal holt sich VW Unterstützung: Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme gibt Tipps für den Umgang mit den US-Behörden.

Von Georg Mascolo und Klaus Ott, München

Gerhard Cromme war lange Zeit eine ganz große Nummer in der deutschen Wirtschaft. Er gestaltete die Fusion von Thyssen und Krupp, saß lange Zeit dem Aufsichtsrat des neuen Stahlkonzerns vor und sollte eigentlich sogar den Patriarchen Berthold Beitz als Chef der damals noch einflussreichen Krupp-Stiftung beerben. Daneben wirkte der hochgewachsene Manager in den Kontrollgremien zahlreicher weiterer Unternehmen und leitete zudem die Regierungskommission für gute Firmen-Führung. Crommes Rat war überall sehr gefragt, bis er bei Beitz wegen Misswirtschaft und Affären von Thyssen-Krupp in Ungnade fiel und dort gehen musste, statt in die Villa Hügel in Essen zu wechseln, den Sitz der Krupp-Stiftung. Geblieben ist dem Stahlmann vor allem der Aufsichtsratsvorsitz bei Siemens.

Im Schmiergeldfall Siemens hat es Cromme geschafft, die US-Behörden milde zu stimmen

Jetzt wird Cromme wieder gebraucht, wie früher in der sogenannten Deutschland AG, in der sich die Konzernchefs gegenseitig nützten und stützten. Der Mann aus dem Münsterland hilft Volkswagen, dem derzeit größten Sorgenfall in Industrie und Wirtschaft. Der Autokonzern aus Wolfsburg kämpft mit den Folgen der Abgasaffäre, die höchsten Strafen und Schadenersatzzahlungen drohen in den USA. Wie man US-Behörden halbwegs milde stimmen kann, das weiß Cromme aus dem Schmiergeldfall Siemens und genau das hat er kürzlich zwei maßgeblichen Vertretern von VW erzählt. Hans Dieter Pötsch, Aufsichtsratschef in Wolfsburg, und Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen und einflussreiches Mitglied des Kontrollgremiums von Volkswagen, holten sich Rat bei Cromme. Der kennt sich aus in Wolfsburg. Er saß auch mal im Aufsichtsrat von Volkswagen.

Die Initiative zu dem Treffen mit Cromme soll von VW ausgegangen sein. Im Aufsichtsrat ist man, wie mehrere Mitglieder sagen, in "Riesensorge" um das, was da alles auf den Konzern zukommen könnte. Neben Bußgeldern und Regresszahlungen auch teure Rückrufaktionen; Verkäufe und Umsätze könnten zurückgehen. Niemand traue sich derzeit, den möglichen Schaden zu berechnen. "Zentral" sei, so heißt es, die saubere und schnelle Aufklärung der Verstöße in den USA. Am 20. November sei das nächste Gespräch mit den US-Behörden geplant, allerdings noch auf Fachebene. Vorstandschef Matthias Müller solle später nach Übersee reisen, wenn die technischen Themen abgearbeitet seien; wenn man bei VW wisse, wie die knapp eine halbe Million von den Abgasmanipulationen in den USA betroffenen Dieselfahrzeuge umgerüstet werden könnten; wenn man Lösungen für die Kunden dort habe.

Vor einigen Jahren ist auch Cromme in einem ähnlichen, aber bei Weitem nicht so drastischen Notfall in die USA geflogen, für Siemens, um gut Wetter zu machen. Mit Erfolg. Insofern könnten seine Tipps wertvoll sein. Bei Siemens war ein weltweites System von schwarzen Kassen und Schmiergeldzahlungen aufgeflogen. Der Industriekonzern hatte jahrzehntelang systematisch Regierungen und Geschäftspartner bestochen, um lukrative Aufträge für beispielsweise den Bau von Kraftwerken oder die Lieferung von Telekommunikationsanlagen zu erhalten.

Da Siemens an der New Yorker Börse notiert war, ermittelten auch die US-Justiz und die dortige Börsenaufsicht SEC. Mehrere Milliarden Dollar Strafe drohten; man wäre schlimmstenfalls sogar von der Vergabe öffentlicher Aufträge in den USA ausgeschlossen worden. Siemens auf einer schwarzen Liste, das wäre ein Fiasko gewesen. In dieser Lage sprach Cromme wiederholt bei den US-Behörden vor, um sie davon zu überzeugen, dass man mit der Vergangenheit brechen wolle und es ernst meine mit den intern eingeleiteten Ermittlungen. Zum Zwecke der Aufklärung hatte Siemens eigens die US-Kanzlei Debevoise & Plimpton engagiert. Cromme und seine Mitstreiter im Aufsichtsrat schafften es binnen zwei Jahren, die eigenen Untersuchungen abzuschließen und mit den US-Behörden einen Deal zu schließen. Mit umgerechnet 600 Millionen Euro Strafe kam Siemens am Ende gut weg.

So billig wird es für Volkswagen in Übersee vermutlich nicht werden. Aber jede Milliarde weniger, die man am Ende zahlen müsste, würde dem Konzern aus Wolfsburg und seinen Beschäftigten helfen. Auch Wolfsburg hat mit Jones Day eine aus den USA stammende Kanzlei für die internen Ermittlungen geholt. Hinzu kommt die frühere Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt, bislang Vorstandsmitglied von Daimler, die zum 1. Januar in den VW-Vorstand wechselt, zuständig für Integrität und Recht. Sie hat bereits bei Daimler nach einem ebenfalls großen Korruptionsfall Erfahrungen mit den US-Behörden gemacht.

Jones Day plus Hohmann-Dennhardt plus Crommes Ratschläge - mit dieser Kombination hofft VW auf Milde in Übersee.

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: