Benetton:Gilbertos Gespür für Goldgruben

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Der Benetton-Clan macht aus seiner Sympathie für die neue Mitte-Links-Regierung Italiens keinen Hehl. Doch der Finanzchef der Textilfamilie stößt mit seinem Geschäftssinn Italiens künftige Regierung vor den Kopf.

Ulrike Sauer

Gilberto, der Stille. Von jeher gebührt dem Zweitjüngsten des unkonventionellen Benetton-Quartetts die Rolle des wortkargen Bruders. Nun, da der 64jährige Finanzstratege der italienischen Textilfamilie aus dem Hinterland Venedigs mit dem Teilverkauf des Mautunternehmens Autostrade die Politiker im fernen Rom in Aufruhr versetzt hat, ist er gar unsichtbar geworden.

Gilberto (links) und Luciano Benetton. (Foto: Foto: AP)

Gilberto, "der Illusionist", mokiert sich das Mailänder Finanzblatt MF. Gelang es dem hoch gewachsenen Veneter kürzlich doch, die Hauptversammlung des ebenfalls von den Benettons kontrollierten Raststätten-Multis Autogrill zu erreichen, ohne jemandem über den Weg zu laufen. In einem versteckten Fahrstuhl entschwand Italiens umstrittenster Unternehmer unbehelligt in die Tiefgarage.

Kleines Geschenk

Die ausgetricksten Journalisten beglückte sein Pressesprecher dafür Anfang der Woche zur Sitzung des Autostrade-Vorstands mit einem "kleinen Geschenk".

Es handelte sich um ein Stück Papier mit dem handschriftlichen Kommentar Gilbertos zu der von ihm eingefädelten Fusion des größten italienischen Autobahnbetreibers mit dem kleineren spanischen Marktführer Abertis. "Es entsteht ein europäischer Champion, der wettbewerbsfähig ist und zusätzliche Investitionen auch in Italien vornehmen kann", stand dort geschrieben.

Besänftigt hat der Chef der Edizione Holding, unter deren Dach die Beteiligungen der Industriellenfamilie zusammengefasst sind, den Zorn in den Palazzi am Tiber damit beileibe nicht.

Nackenschlag

Für Romano Prodi, Italiens Premier in spe, ist Gilbertos jüngster Coup ein Nackenschlag. Der Zusammenschluss mit den Spaniern von Abertis, die gegen eine üppige Barzahlung an Benetton das Kommando über den grenzüberschreitenden Infrastrukturkonzern übernehmen, hat Italien gespalten: Den Komplimenten aus der Finanzwelt steht Unbehagen in der Politik gegenüber.

"Es geht nicht an, dass dies die erste große Geschäft ist, das unter meiner Regierung erfolgt", protestierte Prodi im kleinen Kreis. Öffentlich erklärte der Wahlsieger, er werde sich, "des Falls Autostrade annehmen".

Kern der Vorwürfe: Mit dem Einstieg in das ehemals staatliche Mautunternehmen erzielten die Benettons in sechs Jahren 600 Prozent Rendite, dank der Ausbeutung eines perfekten natürlichen Monopols, welches der Betrieb von Autobahnen nun einmal darstellt.

Schürfrechte

Diese Schürfrechte seien nun an die Spanier verscherbelt worden, womit dringende Infrastrukturinvestitionen in Italien künftig noch spärlicher fließen würden.

Die Beziehung zwischen Italiens Vorzeigeunternehmern aus Ponzano Veneto und der politischen Linken des Landes hat eine brisante Wende genommen. Denn mit den von 1996 bis 2001 amtierenden Mitte-Links-Regierungen in Rom hat Gilberto Benetton seine besten Geschäfte gemacht.

Als einziger hatte der Unternehmer erkannt, dass die Privatisierungsoffensive der neunziger Jahre eine einmalige Gelegenheit zum Aufbau eines diversifizierten Firmenkonglomerats darstellte.

Den italienischen Zwergenkapitalismus durch die Herausbildung von Großakteuren zu stärken, war auch ein Ziel der Versilberungsaktionen gewesen. Gilberto stand fast immer auf der Matte, wenn Rom etwas zu verkaufen hatte. "Das ist eine historische Chance. Solche Privatisierungen gibt es nur einmal im Leben", frohlockte der Goldgräber damals.

Exemplarischer Aufstieg

Und griff zu. Supermärkte, Autobahnen, Raststätten, Flughäfen, Bahnhöfe und anderes mehr. Der Aufstieg der vier Halbwaisen vom originellen Modeclan zu Anbietern hoch profitabler Dienstleistungen galt als exemplarisch.

Hinter der Diversifikation stand von Beginn an Gilberto Benetton. Die Rollen waren unter den vier umtriebigen Geschwistern von jeher verteilt. "Mir haben sie die Kasse anvertraut, weil man sich auf mich verlassen kann", sagte das Finanzgenie der Familie.

Längst ist der schweigsame Verwalter der Familienschatulle aus dem Schatten seines großen, extrovertierten Bruders Luciano getreten, der traditionell das Kerngeschäft Bekleidung führte und Benetton mit seinen bunten Maschen weltberühmt gemacht hat. Heute spielt der kleine Bruder, der sich als effizienter Geldvermehrer erwies, die erste Geige.

660 Millionen Euro für die Familienkasse

Seinen Geschäftssinn will Gilberto mit der Mautfusion erneut unter Beweis stellen. Dank einer Sonderausschüttung fließen mit dem Zusammenschluss 660 Millionen Euro in die Familienkasse.

Strategisch eröffnet die Verschmelzung mit Abertis Wachstumschancen im Ausland, die Autostrade bislang verwehrt waren. Bitter ist das für den einstigen Autobahn-Privatisierer Prodi. Denn Benettons Schachzug provoziert heute laute Kritik an dem damaligen Staatsrückzug aus der italienischen Wirtschaft.

Von den Aufsteigern aus Venetien, die aus ihren Sympathien für das Mitte-links-Bündnis nie einen Hehl gemacht haben, hatte man anlässlich der Rückkehr an die Macht anderes erwartet.

© SZ vom 05.05.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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