Bei uns in Rom:Schäbige Fünf-Sterne-Tanne

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Der Weihnachtsbaum auf der Piazza Venezia war im vergangenen Jahr Hohn und Spott ausgesetzt, weil er doch einen recht schäbigen Eindruck machte. Nun wollte es die Stadtverwaltung besser machen. Nur: Es blieb bei dem Vorsatz.

Von Ulrike Sauer

Man muss es den Römern lassen: Um Spott sind sie nie verlegen. Fast 3000 Jahre Geschichte machen einfach kaltschnäuzig. Besonders beliebt ist das Lästern über die kommunale Weihnachtsdekoration. Im vergangenen Jahr verhöhnte die Vox Populi den schäbigen Tannenbaum mitten auf der Piazza Venezia, wo die Shoppingmeile Via del Corso vor den Kaiserforen mündet, als "Armer Christ". Die Kritik war so beißend, dass die Bürgermeisterin Virginia Raggi ein eiliges Restyling anordnete. Die Aktion ging daneben. Aber lassen wir das.

Denn nun harrte man gespannt der Dinge. Die Zeitungen waren schon voll mit Fotos der glamourösen, todschicken Designerbäume in Mailand. In Rom überblätterte man die Seiten geschwind. Am 8. Dezember, dem Feiertag der Unbefleckten Empfängnis, war es dann so weit. Raggi schaltete die Lichter des neuen Christbaums an. Die Stadt wollte sich diesmal nicht lumpen lassen. Die 20 Meter hohe Tanne vor dem monumentalen Vaterlandsaltar hatte zwar die Gemeinde Val di Fiemme im Trient gestiftet. Die Römer haben also nur für die Kosten für Transport und Entsorgung der Tanne aufzukommen. Nur? Das Rathaus vergab den Auftrag für 48 677,08 Euro. Mit einer öffentlichen Ausschreibung wäre man vielleicht günstiger weggekommen.

Italiens Hauptstadt wird ja seit Juni 2016 von der Fünf-Sterne-Bewegung regiert, was eine Generalprobe für die Regierungsübernahme im kommenden März sein soll. Eigentlich wollte das Gefolge von Beppe Grillo die Institutionen "wie eine Sardellendose öffnen" und Transparenz in die Hinterstuben der Macht bringen. Aber davon hört man nichts mehr. Ärgerlich ist, dass der Weihnachtsbaum sein Geld ganz und gar nicht wert ist. Er steht trübselig und verloren auf der Piazza. Die Römer verpassten ihm den Schmähnamen Spelacchio, gerupftes Huhn, der auf sein sehr spärliches Nadelkleid anspielt.

Die Bürgermeisterin verteidigte den Baum: Er sei schlicht und nachhaltig. Dann machte sie sich auf den Weg in die Oper, wo sie in einer schulterfreien Gattinoni-Robe, umhängt mit einer Stola der Film-Diva Anna Magnani, für die Paparazzi posierte. Mit so augenfälliger Stilkompetenz erklärt sie Spelacchio nun für trendy. Den Passanten kommt er eher wie ein Spiegelbild Roms vor: erbärmlich und trist.

Was die Verfassung Roms angeht, so teilt der Papst offenkundig den deprimierenden Eindruck. "Oh Mutter, hilf dieser Stadt, Antikörper gegen die Viren unserer Zeit zu entwickeln", bat Franziskus um Beistand gegen die Gleichgültigkeit, die Verachtung des Gemeinwohls, gegen Ausbeutung und die Resignation vor dem ethischen und physischen Niedergang Roms. Im Vergleich dazu ist das Christbaum-Fiasko nichts weiter als eine brutta figura - eine weitere Blamage. Leider ist sie symptomatisch.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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