Bei uns in New York:Die Entdeckung Europas

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Wer in Amerika nicht zu den Reichen gehört, plant normalerweise gerade seinen Sommerurlaub am Badesee. Oder die Ferien für die Kinder in einem der vielen Sommer-Camps, wenn die Eltern arbeiten müssen. Doch das ändert sich jetzt.

Von Kathrin Werner

Wer in den USA nicht zu den Reichen gehört, plant normalerweise gerade seinen Sommerurlaub am Badesee. Oder einen kleinen Trip an einen nahe gelegenen Strand oder nach Disneyland. Oder die Ferien für die Kinder in einem der vielen Sommer-Camps, wenn die Eltern arbeiten müssen. Wer überhaupt verreist, bleibt meist in der Nähe. Ins Ausland fährt kaum einer, erst recht nicht nach Europa, das traditionelle Reiseziel der Upper Class.

Doch das ändert sich jetzt. Gerade die traditionell Europa-interessierten New Yorker planen plötzlich Reisen und Shopping-Trips in den alten Kontinent, die sie sich früher nie hätten leisten können. Manch einer plant sogar, auf den Rückweg einen zusätzlichen Koffer aufzugeben, damit genug Platz ist für all die belgische Schokolade, die in Belgien nur einen Bruchteil der New Yorker Supermarktpreise kostet. Die Lieblingsschokolade ist so viel billiger, dass sich sogar die Koffer-Zusatzgebühr rechnet. New Yorker planen Städtereisen nach Rom, Paris oder Berlin, gehen wandern in der Sierra Nevada, wollen mit einem Schiff den Rhein hinab schippern, Radfahren in den Niederlanden oder Weingüter in Bordeaux testen. Wenn sich Europäer mit amerikanischen Freunden treffen, geht es bald schon um Reisetipps.

Während die Volkswirtschaften darum ringen, sich an die Euroschwäche und Dollarstärke anzupassen, ist für amerikanische Touristen Zeit zur Schnäppchenjagd. Für sie ist in Europa alles rund ein Viertel billiger als vor einem Jahr. Gerade bekommen sie für einen Dollar fast 95 Euro-Cent, im April 2014 waren es gerade mal 72 Euro-Cent. Reisebüros vermelden Boomzeiten. Bei der Agentur Liberty Travel in New York buchen zum Beispiel gerade 17 Prozent mehr Menschen Europatouren als vor einem Jahr. Die Urlaubs-Website Booking.com hat berechnet, dass ein Zimmer in einem Vier-Sterne-Hotel in Paris, Rom, Barcelona, Amsterdam oder Berlin 21 Prozent günstiger ist als im Vorjahr, Fünf-Sterne-Hotels kosten 17 Prozent weniger.

"Wisch den Staub vom Pass, schnapp dein Portemonnaie und mach dich auf den Weg zum Shoppen in Europa", schreibt die New York Times und schwärmt, dass eine Flasche Rotwein Vieux Télégraphe Châteauneuf-du-Pape des Jahrgangs 2012 im New Yorker Weinladen Sherry-Lehmann 79,95 Dollar kostet, beim französischen Weinhändler Millésimes aber nur 52,80 Euro. Das Tollste, frohlocken Amerikaner, ist die Tatsache, dass man sich das komplizierte Umrechnen von Euro in Dollar sparen kann. "Ich brauchte immer einen Taschenrechner, jetzt nehme ich es einfach als eins zu eins", sagt eine New Yorkerin, die bald nach Spanien aufbricht.

© SZ vom 17.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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