Bei uns in Mailand:Wo die 500-Euro-Scheine gebunkert sind

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Die Italiener wissen, wohin die anrüchigen Geldnoten verschwinden: auf den Dachboden von Fabio Rizzi, dem Lega-Politiker zum Beispiel.

Von Ulrike Sauer

Ein Gespräch, zwei Frauen, ein Mann. Sie: Erfolgsunternehmerin aus der Gesundheitsbranche. Er: Spitzenpolitiker der Lega Nord, ein hohes Tier in der Regionalregierung der Lombardei. Zweite Sie, seine Partnerin, fragt ihn: "Wie kommst Du an die 500er-Riesen, die Du da oben hast...auf dem Dachboden?" Blöde Frage. Der Mann ließ sich schmieren von der ersten Sie.

Die Staatsanwälte hörten mit. So flog in Mailand mal wieder ein Bestechungsring auf, 21 Verdächtige kamen in Haft oder unter Hausarrest. Während sich in Frankfurt die Leute bei der Zentralbank den Kopf darüber zerbrechen, wie die anrüchigen 500-Euro-Scheine aus dem Verkehr gezogen werden können, erfuhren die Italiener vor zwei Tagen aus der Zeitung, wohin diese, normalen Lesern ja eher unbekannten Geldnoten verschwinden: auf den Dachboden von Fabio Rizzi, dem Lega-Politiker.

Das passt zu einem Ereignis vor genau 24 Jahren. Am 17. Februar 1992 verhaftete die Polizei Mario Chiesa, Sozialist und Chef eines Mailänder Altenheims, in flagranti. Den Euro gab es da noch nicht. Dafür Lira-Scheine mit vielen Nullen. Chiesa erwischten sie mit einem Bündel von sieben Millionen Lire, umgerechnet 3500 Euro. Der kleine Fang löste eine Kette epochaler Ereignisse aus. Er war der Auftakt zur Mailänder Aktion mani pulite, also saubere Hände, die Italiens korrupten Parteienstaat hinwegfegte.

Zwischen Mani Pulite damals und smile, wie die Schmiergeldjäger heute ihre Ermittlungen im Milieu der lombardischen Zahnersatzanbieter nannten, deckte die Justiz unzählige Skandale auf. Italiens Regierungen schoben die Obergrenze für Bargeldzahlungen munter rauf und runter. Eingeführt wurde sie zur Bekämpfung der notorischen Kleptokratie und Steuerhinterziehung 1991. Man setzte das Bar-Limit auf 20 Millionen Lire fest, 2002 wurde es in 12 500 Euro umgewandelt. 2008 senkte Premier Romano Prodi die Schwelle auf 5000 Euro. Als Silvio Berlusconi übernahm, schraubte er sie wieder auf 12 500 Euro hoch, seinem Ruf als Schutzpatron der Steuerhinterzieher gebührend. Im Jahr der Beinahe-Pleite Italiens setzte Mario Monti ein Limit von 1000 Euro durch, um es Geldwäschern und korrupten Amtsträgern schwer zu machen. Das leuchtet ein. Nur blieb die Praxis bisher den Effizienznachweis der Obergrenzen schuldig. Siehe Rizzis Dachboden.

© SZ vom 19.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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