Bei uns in London:Reiche City, hässliches Freibad

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Es ist ein Schwimmbad des Grauens, und es gehört der City of London, der Verwaltung des ältesten Stadtteils, der die Banken beherbergt. Wieso in aller Welt kümmert sich aber die City um dieses weit entfernte Betonbad?

Von Björn Finke

Das Freibad ist keine Schönheit. Statt auf einer Wiese sonnen sich die Besucher auf Betonflächen und -podesten rund um das einzige Becken. Der Beton wird in der Sonne richtig heiß - was man leider nicht über das Wasser im unbeheizten Becken sagen kann. Der Blick geht auf Häuserreihen statt auf Bäume. Trotzdem ist jenes Schwimmbad des Grauens, das Parliament Hill Lido, oft krachend voll. In der 8,6-Millionen-Einwohner-Stadt London gibt es eben zu wenig Freibäder.

An der Kasse erleben Besucher eine Überraschung. Zumindest jene, die sich aufmerksam den Kassenbon anschauen, der als Eintrittskarte gilt. Die obere Hälfte des Papierschnipsels füllt ein Wappen mit zwei Drachen aus. Darunter steht der lateinische Leitspruch "Domine dirige nos", also "Herr, führe uns", und darunter wiederum ist "City of London" zu lesen. Kein Zweifel: Dieses triste Freibad gehört der City of London, der Verwaltung des ältesten Stadtteils, der heute die Banken beherbergt. Die zwei Drachen und der fromme Spruch finden sich in der Square Mile - dem nur eine gute Quadratmeile großen Finanzviertel - auf vielen Schildern.

Das Freibad Parliament Hill Lido liegt jedoch nicht in der Innenstadt, sondern im Park Hampstead Heath im Nordwesten der Kapitale - fünf Kilometer von der City of London entfernt. Wieso in aller Welt kümmert sich die Verwaltung des Finanzviertels um dieses Betonbad?

Die Antwort ist britisch-pragmatisch: weil die Boroughs, die Stadtteil-Verwaltungen, rund um Hampstead Heath nicht genug Geld hatten, den Riesenpark und das Freibad zu unterhalten. Darum sprang 1989 der mit Abstand reichste Stadtteil ein, selbst wenn ihn fünf Kilometer von dieser grünen Lunge trennen. Die City of London Corporation - so der Name der Verwaltung - hegt und pflegt auch den noch weiter entfernten Wald Epping Forest. Daneben ist die winzige City zuständig für fünf Themse-Bücken und das Heathrow Animal Reception Centre am anderen Ende der Stadt. Dieses wickelt die Ein- und Ausreise von Tieren am Flughafen ab.

Mit dem Kerngeschäft einer Stadtteil-Verwaltung hat das nichts zu tun - aber einer muss es ja machen, und die City hat zumindest ausreichend Geld. Außerdem müssen sich die Verwaltungsangestellten nicht um die Sorgen und Nöte allzu vieler eigener Einwohner kümmern: Nur 9000 Bürger leben in der Square Mile. Dafür arbeiten dort 340 000 Menschen. Das sollte der City eigentlich genug Einnahmen bescheren, um das hässliche Bad Parliament Hill Lido aufzumöbeln. Londons Schwimmer warten gespannt.

© SZ vom 21.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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