Bei uns in Hamburg:Wild wie der Norden

Lesezeit: 2 min

Kein Meer ist so wild wie die Liebe, singt Udo Jürgens. Aber der war ja auch Österreicher - und die haben vom Wasser eben keine Ahnung. Tote Wale und verstopfte Häfen: Es geht richtig rund, bei uns im Norden!

Von Angelika Slavik

Kein Meer ist so wild wie die Liebe, hat Udo Jürgens immer gesungen. Nun steht Jürgens' Expertise in Liebesdingen natürlich außer Frage, allerdings muss man sagen, dass Udo Jürgens ja Österreicher war. Und Österreich ist, genau, ein Binnenland. Heißt: Die haben dort vom Wasser einfach keine Ahnung.

Allerdings, das muss man an dieser Stelle eingestehen, hat man auch hier oben an der Küste nicht immer den totalen Durchblick, was die Dynamik des Wassers angeht. Neulich wurden zum Beispiel an der Nordseeküste mehrere tote Wale angeschwemmt. Einer davon lag auf einer Sandbank in der Nähe von Bremerhaven. Nach eingehender Sichtung beschlossen die Behörden, dass der tote Wal auf der Sandbank ja niemanden störe und er dort deshalb einfach die nächsten vier bis zehn Jahre vor sich hin verrotten solle. 17 Tonnen totes Tier, wen juckt das schon? Das Problem an dem Plan war nur: Rund um die Sandbank - und damit konnte nun wirklich keiner rechnen! - ist Wasser. Deshalb wurde der Kadaver schon beim nächsten Lüftchen abgetrieben und bis nach Cuxhaven gespült. Dort treibt der tote Koloss nun vor der Küste im Meer und muss ebenso hektisch wie umständlich geborgen werden.

Gut, das mit dem Wal ist ja auch ein Ausnahmefall. Im Hamburger Hafen dagegen wiederholen sich die Dinge in beglückender Verlässlichkeit. Kurz zusammengefasst funktioniert das dort so: Die Flut kommt, und mit ihr wird eine Menge Schlick ins Hafenbecken gespült. Mit der Ebbe verschwindet das Wasser wieder, aber der Schlick bleibt. Deswegen gibt es Schiffe, die die Fahrrinne ausbaggern und den Schlick entfernen sollen.

Die vielen Tonnen Schlick müssen dann natürlich irgendwo abgeladen werden und weil es sich gerade so anbietet, landet der größte Teil davon bei der Elbinsel Neßsand. Die liegt gefühlt kurz hinter dem Hamburger Flughafen, was dazu führt, dass schon die nächste Flut den ganzen dort abgelagerten Schlick wieder zurück ins Hafenbecken spült. Wo ihn dann die Schiffe wieder ausbaggern und zurück zur Elbinsel bringen. Wo er dann bleibt, bis die nächst Flut kommt. 66 Millionen Euro hat dieses ausgeklügelte System im vergangenen Jahr gekostet. Leider hat es einen Schönheitsfehler: Weil die Schlickmenge insgesamt immer weiter steigt, die Zahl der Baggerschiffe aber nicht, ist die Fahrrinne für die Schiffe immer öfter verstopft. Unter der Köhlbrandbrücke etwa fehlen drei Meter Tiefe - weswegen viele Schiffe neuerdings nach Rotterdam ausweichen müssen. Kein Meer ist so wild wie die Liebe? Pah.

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: